Ich verstehe Putin
Karel Schwarzenberg

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Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg über den Holperstart der EU-Präsidentschaft, über Gas, Gaza und das Parkett der Weltpolitik.

Im Prager Palais Czernin wird derzeit Weltpolitik gemacht, eine Schlüsselrolle spielt dabei Fürst Karel Schwarzenberg, der im Alter von 70 Jahren noch das Amt des tschechischen Außenministers antrat. Zuletzt war er Mitglied jener EU-Delegation, die im Nahen Osten vermittelte, diesen Freitag stattete Österreichs Außenminister Spindelegger seinem Kollegen, dessen Land die EU-Ratspräsidentschaft innehat, seinen ersten Auslandsbesuch ab.
Während Schwarzenberg mit mir telefoniert, verhandelte der tschechische Regierungschef Topolánek gerade im Gas-Streit. In diesem Spannungsfeld – zwischen Gazprom und Gaza – bewegt sich Schwarzenberg souverän und mit einer großen Portion Humor, wie er im Gespräch immer wieder beweist.

Herr Außenminister, Ihr österreichischer Amtskollege hat Sie gerade besucht. Werden sich die belasteten – oder wie ein Diplomat sich ausdrücken würde „anspruchsvollen“ – Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn jetzt entspannen?
Diese Beziehungen sind nicht mehr so belastet, wie sie waren. Unsere Differenzen schwinden immer mehr. Über das sichtbare Zeichen dieses Wandels bin ich dem österreichischen Außenminister überaus dankbar.

Haben Sie sich das so vorgestellt, dass die EU-Präsidentschaft gleich mit zwei Megaproblemen startet?
Im Telefonhörer ertönt ein brummendes Lachen – Ich habe erwartet, dass unser Land gleich am Beginn einer harten Prüfung unterzogen werden wird, aber dass sich diese zwischen Gazprom und Gaza bewegt, das konnte selbst ich nicht ahnen. Das Gasproblem scheint zunächst gelöst, auch wenn die Verträge noch nicht unterzeichnet sind. Regierungschef Mirek Topolánek ist nach Kiew und Moskau geflogen. Ich muss hier in Prag die Stellung halten.

Hat Tschechien die Gaskrise verschlafen? Russland hat ja wiederholt davor gewarnt, dass es zu Lieferproblemen kommen könnte …
Wenn jemand das verschlafen hat, dann Brüssel. Tschechien konnte erst in dem Moment tätig werden, indem wir die Ratspräsidentschaft übernommen hatten und das ist geschehen.

Tagelanger Lieferstopp, in vielen osteuropäischen Ländern Europas müssen Hunderttausende Menschen frieren: Verstehen Sie, was Putin da macht?
Natürlich verstehe ich ihn!

Ist es gerecht, von einem Land wie der Ukraine Weltmarktpreise zu verlangen?
Verzeihen Sie, aber ich habe noch nie gehört, dass in solchen Fragen Gerechtigkeit eine Rolle spielt. Das ist ungefähr so, wie wenn Sie jetzt, mitten in der Eiszeit, in der freien Natur nach der Rosenblüte Ausschau halten. Nein, hier geht es um nichts anderes als Gas und Öl und somit ganz einfach um Geld und um Macht.

Heizen Sie denn in Ihrem Amtssitz auch mit Gas?
Sehen Sie, da bin ich jetzt überfragt… Ich kann es nicht sagen. Aber ich bin sicher, dass hier ein paar Öfen herumstehen, mit denen wir viele Räume heizen könnten.

Noch ärgerlich über die Äußerung Ihres Regierungssprechers Jiři Potuznik, der Israels Bodenoffensive als „defensiv“ bezeichnete?
Ach Gott. Das war doch nur ein Übertragungsfehler.

Den Sie dann zurechtgerückt haben. Wie beurteilen Sie als Mitglied der EU-Vermittlungsmission die Lage in Gaza?
Auch wenn es nicht so aussieht: Wir machen dort langsam einen Fortschritt. Noch glauben leider beide Parteien, in diesem Konflikt der Gewinner sein zu können. Ich bin dazu in ständiger Verbindung mit meinen Kollegen in New York, Paris, Berlin, natürlich auch mit Jerusalem und Kairo.


 

Sowohl Israel als auch die Hamas haben die UNO-Resolution über einen Waffenstillstand abgelehnt, wo ist da der Fortschritt?
Wenn einer ablehnt, dann lehnt der andere auch ab. So ist das. Ich glaube, einen Waffenstillstand wird es erst geben, wenn es ein Abkommen zur Sicherung der ägyptischen Grenze zu Gaza gibt. Dort darf es nicht mehr möglich sein, Waffen zu schmuggeln. Das ist auch die Bedingung Israels.

Die UNO hat einen schockierenden Bericht über die Lage in Gaza vorgelegt.
Ich habe noch von keinem Krieg gehört, in dem es gut ausschaut…

Haben Sie denn noch Hoffnung, dass es in Nahost je zu einer friedlichen Lösung kommen könnte?
In dem Geschäft, das ich betreibe, gehört Hoffnung zur Grundausstattung. Wenn ich keine Hoffnung mehr hätte, dann müsste ich mich hier auf der Stelle aus dem Fenster stürzen.

Der „Guardian“ hat berichtet, dass Barack Obama Verhandlungen mit der Hamas plane. Würden Sie das begrüßen?
Ich kann mir das ehrlich gesagt schwer vorstellen. In der Weltgeschichte war es stets so, dass mit einer Terrororganisation erst verhandelt wurde, wenn sie willens war, die Gewalt aufzugeben, an den Verhandlungstisch zu kommen und eine mehr oder minder reguläre politische Organisation zu werden. Außerdem gibt es da einen Spruch…

Welchen?
Man verhandelt nicht mit dem Schmiedl, sondern mit dem Schmied. Die Kernfrage ist nämlich, inwiefern die Hamas autonom oder doch abhängig von Damaskus und Teheran ist.

„Es geht um Geld und um Macht“ Macht Ihnen Weltpolitik eigentlich Spaß?
Wissen Sie, in meinem Alter ist man nicht mehr so ehrgeizig, man wird schneller müde und sieht die Dinge begreiflicherweise mit einem gewissen Abstand.

Haben Sie mit Ihrem Präsidenten schon ein ernstes Wort gesprochen?
Warum denn?
 
Weil seine Anti-EU-Haltung für Erstaunen sorgt.
Ich respektiere die Ansicht meines Staatsoberhauptes! Ich hab’ eine andere.

Sollte auf dem Hradschin nicht eine EU-Fahne wehen?
Ob auf der Prager Burg diese oder jene Fahne weht, ist seine Angelegenheit. Eine EU-Fahne macht uns Tschechen nicht zu besseren oder schlechteren Europäern.

In Prag sind Sie Karel, in Wien Karl, Sie haben die tschechische und die Schweizer Staatsbürgerschaft. Wo fühlen Sie sich zuhause?
An vielen Orten: Im „Tirolerhof“ in Wien, im „Louvre“ in Prag, im Schloss Murau genauso wie auf Schloss Orlik in Böhmen. Was den Karel betrifft: Ich fühle mich noch der alten Generation verbunden, die ihre Vornamen in allen europäischen Sprachen verwendet hat. Ich finde das schön.

Also stellen Sie sich Nicolas Sarkozy mit dem französischen Charles vor?
Ganz genau. Und ich unterschreibe Briefe an ihn auch so.

11. Jänner 2009, erschienen im KURIER