Dieser Welt fehlt die Eleganz
Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein

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Im Interview spricht Marianne zu Sayn-Wittgenstein über Fuschl, Glamour und den lieben Gott.

In ihrem Jagdhaus in Fuschl wird sie zu den Salzburger Festspielen wieder jeden Sonntag die Reichen, Schönen, Berühmten empfangen, bewirten und fotografieren. Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein, von ihren illustren Gästen liebevoll „Manni“ genannt. Beim Interview mit Conny Bischorberger blättert die Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelin der österreichischen Kaiserin Maria Theresia in Alben, wühlt in Kisten und zieht immer wieder strahlend Fotos hervor, die die unglaublichsten Geschichten erzählen (sehen Sie selbst auf den nachfolgenden zwei Seiten). „Das ist das letzte Interview, das ich gebe“, sagt sie trotzig – anlässlich ihres neuen Bildbandes, der gerade erschienen ist, war „Mamarazza“, wie Prinzessin Caroline von Monaco sie benannt hat, in sechs deutschen und einer schweizer Fernseh-Show zu Gast. „Mir reicht’s jetzt.“ Sogar ein Angebot von Lord Snowdon, sie bei einem zweitägigen Foto-Shooting an der Themse zu verewigen, hat Principessa ausgeschlagen. Sitzt stattdessen auf ihrer Terrasse in Fuschl, wo die Fuchsien Sonnenschirme tragen, bei selbst gemachtem Hollersaft und genießt die Ruhe vor dem Festspielsturm.
Mit ihren beiden Kameras, „einer großen und einer kleinen“, hat die 86-jährige „Manni“ auf 200.000 Fotos die elegante Gesellschaft der vergangenen 60 Jahre festgehalten. Seit 1938 knipst sie die oberen Zehntausend – von Onassis bis Andy Warhol. In einem winzigen Fotolabor auf 11,75 Quadratmetern vergrößert sie ihre Schwarz-weiß-Porträts höchstpersönlich.
Die Fürstin und ihre Bilder, das ist ein Anblick großer Vertrautheit und Nähe. Die Unbefangenheit spürt auch der Betrachter und blickt damit hinter die Fassade der so genannten High Society, die in der entwaffnenden Anwesenheit „Mannis“ ihr wahres Ich zeigt.

Fürstin, fotografieren Sie eigentlich schon digital?
Um Gottes willen! Digital! Nein, nein. Ich habe meine zwei Kameras, eine kleine Pentax 170 SL und die große Canon 10 S, bei der man richtig was in der Hand hat. Ich arbeite mit 200er-Kodak-Filmen, im Bewusstsein, dass es eben nur 36 Bilder gibt. So muss ich mich bemühen, dass alle Fotos gut werden. Digital, das ist einfach wahllos heruntergeschossen.

Wer arbeitet sie aus?
Ich habe mein Fotogeschäft in Salzburg, da gebe ich die Filme persönlich ab. Die lieben Drak-Mädchen haben viel zu tun mit mir. Zwei Abzüge von jedem Bild. Eines schicke ich gleich am nächsten Tag an meine Freunde – mit Dank und Grußwort und Datum. Ich schreib wahnsinnig gern Briefe. Das andere ist für meine Alben.

Momentan schreiben Sie wieder hunderte von Einladungen zu Ihrem Festspielempfang.
Tagelange Arbeit, alles mit der Hand geschrieben! Das ist ein ländliches Mittagessen hier bei mir im Garten, kein Empfang. Jeden Sonntag während der Salzburger Festspiele kommen an die 80 Freunde. Manchmal sind es 100, aber das ist die Schmerzgrenze. Denn mehr Teller habe ich nicht.

Und dann ist „Mammarazza“ wieder in ihrem Element. Mögen Sie diese Bezeichnung?
Sehr gern. Weil es mich von den Paparazzi unterscheidet! Ich klettere nicht auf Bäume und warte, bis ich jemand oben ohne abschießen kann.

Sie bewegen sich auf Yachten, Inseln, Galas, Bällen. Ein Bilderbuch-Leben?
Ich danke Gott jeden Tag dafür. Was werde ich heute erleben? Wen werde ich kennen lernen? Das frage ich mich beim Morgengebet. Das Leben ist fantastisch. Obwohl ich nicht mehr sehr gut gehen kann. Ein pflaumengroßer Rückenmarktumor hat auf meinen Nerv gedrückt. Die Ärzte haben gemeint, er muss sofort raus, sonst werde ich querschnittgelähmt. Das war vor fünf Jahren. Aber ich habe gesagt, vorher muss ich noch schnell zu Alfred Bioleks Fernsehshow nach Köln fliegen. Die Operation hat dann sechs Stunden gedauert, mein Gott...

Wie stellen Sie sich Gott vor?
Als einen, mit dem man reden kann, bei dem man sich bedanken muss. Der die, die ich liebe, beschützt. Meine Kinder, meine 20 Enkel, meine 13 Urenkel. Ich schließe sie alle in mein Abendgebet ein. Beim Aufzählen der vielen Namen, mit den Ehemännern und Ehefrauen sind es über 50, schlafe ich meistens ein.

 

Sie werden 87, wie viele Jahre wünschen Sie sich noch?
Hundert zu werden wäre schön. Oder auch 90. Alt bin ich erst, wenn ich nicht mehr neugierig bin. Wenn ich keine Lust mehr habe zu reisen, und Neues, Aufregendes zu erleben.

Reisen Sie denn noch viel?
Dauernd. Gerade komme ich von einer Kreuzfahrt aus Indien, Sri Lanka, den Malediven und Seychellen zurück. Da habe ich Udo Lindenberg kennen gelernt! Er hat unter 300 Passagieren sofort mein Herz gewonnen. – Zieht ein Foto aus einem Kuvert und zeigt es uns ganz stolz.– Vor ein paar Jahren war ich in Chile, auf dem schönsten Poloplatz der Welt. Und wenn ich am Flughafen ein elegantes Paar sehe, drehe ich mich drei Mal im Kreis, weil ich mich freue, dass es so was noch gibt. So, als würde ich einen weißen Elefanten erblicken.

Was ist Eleganz für Sie?
Eleganz ist zum Beispiel, wenn die Dame auf Reisen Handschuhe trägt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, ohne Handschuhe zu reisen. Warum soll ich ein Geländer angreifen, das vor mir Millionen Fremde mit ihren schmutzigen Händen berührt haben? Diese Eleganz vermisse ich in der heutigen Welt.

Blicken Sie oft mit Wehmut zurück?
Aber wo. Überhaupt nicht. Ich bin quietschvergnügt, obwohl ich viel Herzensleid erleben musste. Mein Mann, totgefahren mit 47 Jahren. Ich stand mit fünf Kindern allein da. Aber das Leben musste weitergehen, im selben Moment musste es weitergehen. Meine Tochter, mit 47 Jahren an Krebs gestorben. Meine Enkelin, bei einem Autounfall in England ums Leben gekommen, 100 Tage nach ihrer Hochzeit. Sie hat Fotografie in Florenz studiert und ich hatte gehofft, sie würde das alles einmal übernehmen.

Wo hüten Sie Ihre Schätze?
Im Keller. Früher hatte ich beige Alben, später nahm ich rote. Insgesamt 600. Alle nach Jahreszahlen geordnet. Mein Sohn Alexander hat schon zehntausende Fotos digitalisiert. Ein Gefühl, das mich sehr beruhigt. Dass alle Bilder gesichert sind. Auch für die Zeit nach mir.

Was würde Ihnen fehlen, wenn Sie nicht mehr fotografieren könnten?
Einfach alles. Wundervolle, aufregende, komische Momente. Die fabelhaftesten Erinnerungen an wunderbare Menschen. Das Berühmte ist mir wurscht. Mich interessiert der Mensch. Wenn sein Wesen nicht nett ist, dann fotografiere ich viel lieber einen meiner Neffen. Oder den Nachbarbauern mit seinem mongoloiden Enkelkind.

Mit Kinderfotos haben Sie in Amerika viel Geld verdient.
Kinder fotografiere ich überhaupt am liebsten. Nur die Eltern schicke ich immer gleich weg. In New York war es besonders schlimm. Da brachten sie mir zum Beispiel Kinder mit zwei Bodyguards, bewaffnet mit Knarren und Nannys, die dunkelblaue Capes trugen mit weißem Stehkragen. So gingen wir durch den Central Park.

Ihre Bilder sind weder Schnappschüsse noch Porträts…
Es sind vielleicht Momentaufnahmen. Ich habe immer das am spannendsten gefunden, was hinter den Kulissen passiert. Den Jedermann beim Schminken. Cèsar in Socken. Harnoncourt mit der Schleifmaschine in der Hand. Als mir Gunter Sachs sagte, dass er Models mit blauer Farbe anschütten will, habe ich gejubelt: Oh, darf ich mitknipsen? Wenn du mir versprichst, dass die Fotos nie in die Zeitung kommen, gern, hat Gunter gemeint.

War es schwierig, die Genehmigungen aller Prominenten für Ihre Bildbände zu bekommen?
Das können Sie laut sagen! Von Sean Connery zum Beispiel kam für das Buch „Mamarazza“ wochenlang keine Antwort. Da habe ich in Amerika angerufen und seiner Sekretärin gesagt: Passen Sie auf, wenn ich morgen keine Antwort habe, komme ich rüber und hole mir Seans Zustimmung persönlich! Am nächsten Tag kam das Fax. Für mein neues Buch hat Sean sogar das Vorwort geschrieben. „Ich bin sicher, wer diese Bilder sieht, wird meine Gefühle für Ihr neuestes Werk teilen. Immer der Ihre. Sean Connery.“

22. Februar 2009, erschienen im KURIER