Oscar-Star und Romy-Preisträger Karl Markovics über Ruhm und Ehre, Gagen und Schmerzgrenzen und das Gefühl, jedes Risiko der Welt einzugehen.
Er fällt jetzt auf, wenn er über den Rathausplatz von Mödling marschiert. Leute drehen sich um, gratulieren ihm freudig oder grüßen zumindest ehrfürchtig. Im „Schrannenbeisl“, wo wir Karl Markovics am Morgen nach seiner Ankunft in Wien-Schwechat zum Interview treffen, findet sich sogar der Mödlinger Bürgermeister ein.
Brauner Wollpullover, kariertes Baumwollhemd, ungebügelt: Markovics sitzt vor einem großen goldenen Spiegel und strahlt. Das Oscar-Glück steht dem Schauspieler ins Gesicht geschrieben. Neben ihm eine Packung Marlboro Light („Ich bin ein Stressraucher, im Moment ist es gerade ganz schlimm“) und das Familienhandy. „Das nimmt von uns immer der mit, der von zu Hause weggeht.“ Er besitzt kein eigenes Handy. „Ich will mich nicht ausliefern.“
Markovics spricht bühnenreif, seine Hände ruhen dabei meist unbeweglich im Schoß – so als müsste er seine Sätze nicht auch noch mit Gesten unterstreichen.
Es ist der erste Morgen zu Hause in Niederösterreich. Die Oscar-Nacht fühlt sich jetzt wie ein Traum an, aber der Sieg für den Film „Die Fälscher“, in dem er die Hauptrolle spielt, ist eine Tatsache. „Der Stockinger“ ist ab sofort Vergangenheit. Karl Markovics ist endgültig ein Oscar-Star.
Herr Markovics, was geträumt letzte Nacht?
Oh ja. Ich habe ganz viel und ganz intensiv geträumt. Der Oscar kam im Traum nicht vor. Es war eher so, dass meine Vergangenheit wie ein Film an mir vorbeigezogen ist.
Das zerknitterte Hemd, das Sie tragen, es sieht aus, als wären Sie nach dem Oscar-Smoking gern hineingeschlüpft.
Es ist ein Hemd, das ich seit zwei Jahren nicht getragen habe. Ich schmeiße ja nichts weg. So kommt es, dass nach Jahren etwas passiert und ich ziehe es plötzlich wieder an.
Eine große Ehre für das Hemd . . .
Das Hemd hat mit der Ehre ja kein Problem.
„Der Oscar ist nur ein Ding“, haben Sie dem „Stern“ gegenüber die höchste Auszeichnung für einen Film beschrieben. Sprechen Sie diesem Preis damit nicht seine ungeheure Aura ab?
Natürlich ist er – ob man will oder nicht – etwas Historisches. Noch nie hat ein österreichisch-deutscher Film einen Oscar bekommen. Als Beteiligte haben wir jetzt so einen Idol-Charakter bekommen, werden als Karl Schränze des österreichischen Films gefeiert. Das ist schön und gleichzeitig habe ich keine Ahnung, was es für mein Leben bedeuten wird.
Wirft der Oscar einen helleren Glanz auf Ihre Karriere?
Glanz bedeutet mir nichts. Ich befinde mich jetzt da, wo ich immer wusste, dass ich hingehöre.
Im Oscar-Himmel?
Markovics lacht dieses gelassene, selige Lächeln. – Schön gesagt. Aber es klingt nach Weihnachten, nach Lottosechser. Für mich aber kommt der Oscar nicht von ungefähr. Da war immer dieses Gefühl: Ich trau mir alles zu, es gibt nichts, wo ich Angst hätte, auf die Gosch’n zu fallen. Beruflich. Privat sieht es ganz anders aus.
Warum trennen Sie Privat- und Berufsleben so strikt?
Weil es für mich diametrale Gegensätze sind. Während ich als Schauspieler jedes Risiko der Welt eingehe, brauche ich privat Konstanz und Beständigkeit, weil daraus meine Energie für das Risiko resultiert. Ich bin privat ein ganz normaler Mensch.
Welches Risiko meinen Sie denn?
Das Risiko, Dinge falsch zu machen. Dieses Risiko war im „Fälscher“ ein sehr hohes. Den Antihelden Salomon Sorowitsch so zu spielen, dass der Zuschauer gar keine andere Chance hat, als ihm und damit der Geschichte zu folgen, das war die Kunst.
Und: Haben Sie was falsch gemacht?
– Markovics holt tief Luft. – Ich habe nichts falsch gemacht. Gar nichts.
Ein ganz normaler Mensch. Wie dürfen wir ihn uns vorstellen?
Das ist schon wieder sehr privat. Eine Zeit lang hab’ ich mein Privatleben ja gehütet, aber seit dem Oscar ist es natürlich ein Stück nach außen gekehrt worden. Meine Familie hat auch noch nicht protestiert. Was für ein Mensch? Einer, der einkaufen geht, auf die Post, kein Privatsekretär, kein Chauffeur. Über mich gibt es wirklich nichts Aufregendes zu berichten.
Sie sollen Ihr Haus bei Mödling als Heimwerker in Eigenregie renoviert haben.
Das habe ich von meinem Vater gelernt: Notfalls alles selber machen zu können. Ich muss auch nicht vier Wochen in den Gemeindebau ziehen, um eine Rolle als Normalbürger spielen zu können.
Wenn Sie in der Öffentlichkeit sind, spielen Sie da auch eine Rolle?
Nein, da bin ich einfach ich. Da hänge ich nichts raus, was Distanz schaffen könnte
zwischen mir und den Menschen. Ich möchte mir keine Aura als Schutzhülle zulegen, die auch nur wieder eine Scheinprivatheit, ein Kostüm ist. Die Energie, die das kostet, stecke ich lieber in den Beruf.
Gibt es so was wie eine Traumrolle?
Nur wenn es ein toller Film, ein gutes Buch ist. Aber nicht um der Rolle willen. Sicher würde ich gern mit Kate Winslet spielen oder mit Tommy Lee Jones, Daniel Day Lewis oder Colin Farrell. Einen Film mit den Coen-Brothers drehen.
Und was macht Oscar-Star Markovics jetzt nicht mehr?
Kann ich nicht von vornherein sagen. Ich hoffe sogar, dass sich alle noch immer trauen, mich anzurufen!
Serien?
Unwahrscheinlich, weil Serien einen Schauspieler maßlos blockieren. Und ich froh bin, dass der Stockinger passé ist, weggeblasen wie ein Föhnsturm.
Wie viel mehr kosten Sie denn jetzt?
Ich habe nie um Geld gespielt. Nie. Dafür ist mir dieser Beruf zu schade.
Konnten Sie sich das immer leisten?
Nein. Ich hatte ein Jahr, da habe ich keinen Cent verdient. Damals gab es ein Angebot von Mercedes, ich hätte mich wunderbar sanieren können. Ich hab’s abgelehnt.
Warum?
Ich würde nie Werbung machen. Nicht einmal für die Maschine, die meine Kinder rettet.
Woher kommt diese Sicherheit: Es wird schon alles gut werden?
Definitiv von meinem Vater. Er war Lastwagen- und Kranfahrer, später Buschauffeur. Er verkörperte für mich Unabhängigkeit und er hatte Schmäh. Oft kam er nach Hause und sagte: Ich habe gekündigt! Das war für uns aber keine Katastrophe, da herrschte im Gegenteil eher Aufbruchsstimmung.
Herr Markovics, bei all den Huldigungen und Empfängen und Respektsbezeugungen, bekümmert Sie da auch so was wie unsere Regierungskrise?
Bekümmerung wäre übertrieben, es ist einfach ein ganz jämmerliches Schauspiel, das uns die Koalitionspartner derzeit liefern. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum nicht längst einer gesagt hat: So geht es nicht mehr. Das hat ja auch mit politischer Schlauheit zu tun. So ein Bekenntnis hätten die Menschen noch eher verstanden als dieses Dahinwurschteln. Mir kommt das vor wie in einer schlechten Ehe. Man muss sich früher oder später trennen, aber den betroffenen Kindern sagt man’s lieber nicht.
War Ihre Frau bei den Bettszenen im Film eigentlich eifersüchtig?
Sie war ja nicht dabei! – Lacht. – Solche Szenen sind für den Partner nicht leicht. Aber sie hat mich ihre Eifersucht nicht spüren lassen.
Also ja?
Ich hoffe! Es wäre doch seltsam, wenn es nicht so wäre.
2. März 2008, erschienen im KURIER