"So ist der Lugner eben"
Richard Lugner

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Von der Einfahrt am Wiener Gürtel bis in den 3. Stock des Einkaufszentrums hat man ungefähr 17-mal seinen Namen gelesen. LUGNER in Antiqua auf rubinrotem Hintergrund. Sein Büro liegt am Ende eines langen Ganges, hinter einer Glastür. Es ist gespenstisch ruhig in der "Zentrumsleitung" der Lugner-City. Richy begrüßt uns überschwänglich und einnehmend. Warum es so still ist bei ihm? "Ich sperre meine Baufirma nächste Woche zu", erklärt er und versinkt in einem der schwarzen Leder-Drehsessel, von denen am langen Besprechungstisch zehn Stück stehen. Auf dem Revers seines dunkelblauen Sakkos blitzen ein paar Schuppen. An der Wand ein riesiges Puzzle bunter Fotos des Selbstdarstellers, der so verzweifelt um Zuwendung buhlt, fast wie diese Kids, die sich ritzen, um Anerkennung und Aufmerksamkeit zu kriegen. Lugners Messer sind die Medien. So ein Interview ist Labsal für seine Seele. Einmal angeregt, will Lugner gar nicht mehr aufhören zu reden. Dabei unterbricht das Bimmeln seines Handys doch fast jeden Gedanken. Küss die Hand, flötet Lugner ins Telefon und verdreht scheinbar genervt die Augen. Hessischer Rundfunk, Bayern eins, Radio Berlin. Lugner ist gefragt. Dazwischen ruft auch noch seine Tochter an. "Tu jetzt ned dauernd anrufen, Jacky", fleht der Papa, "ich bin beschäftigt." Die neue Frau in seinem Leben, Bettina, wartet auch auf ihn. Die Frau, die nicht das neue Mausi, sondern "Sternchen" sein will.
Seine Hand streicht unterdessen über Fesselfotos seines diesjährigen Opernball- Gastes, der Striptease- "Künstlerin" Ditta von Teese."Sie mag halt Fetische und zeigt sich häufig nackt, das ist halt ihr Leben, was soll ich machen?", seufzt er. Dann warten seine traurigen Augen auf die Fragen nach seiner Peinlichkeit, nach der Triebfeder für seinen Exhibitionismus. Die Antworten hat er sich längst zurechtgelegt. Nur beim Thema Einsamkeit, bei seinem Thema, legt er für ein paar Momente seine Maske ab.

Herr Lugner, Sie sind ein offenes Buch, ein Mann ohne Geheimnisse. Gibt es irgendetwas, was wir noch nicht wissen?
Das wird schwer. Für Sie, nicht für mich.

Erzählen Sie, warum sofort nach der Scheidung von Ihrer Frau ein neues Mausi hermusste.
Eine Reisebegleitung! Aber wenn Sie glauben. Für mich war's praktisch. Es haben sich 300 gemeldet und ich hatte die Wahl. Die haben mir sogar von jeder Dame einen ausgefüllten Fragebogen dazu geliefert. Warum wollen Sie Lugner nach Sri Lanka begleiten und so weiter. Da konnte ich mir meine Plus- und Minuspunkte notieren.

Warum haben Sie aus 300 Frauen Bettina ausgewählt?
Es war ihr Bild. Ich hab immer wieder dieses Bild angeschaut, die schönen ernsten Augen. Und es hat mich beeindruckt, dass sie seit 14Jahren bei derselben Firma arbeitet. Das spricht für sie. Sie ist ein wirklich anständiges, nettes Mädchen.

Verliebt?
Zögert ein wenig mit seiner Antwort. – Wissen Sie, uns ist eigentlich noch fast keine Zeit zu Zweisamkeit geblieben. Wenn wir dann einmal privat sind, sind ihr 10-jähriger Sohn und meine Tochter dabei, die uns eifersüchtig bewachen. Sie hatte ja auch bis vor Kurzem einen Freund.

Kommen aus dieser Ecke, vier Tage vor dem Opernball, Morddrohungen gegen Sie?
Ich weiß es nicht. Ich habe Personenschutz beantragt. Aber das ist noch nicht durch.



Sind Sie nicht bewacht genug? Von Fernsehkameras, von Pressefotografen und Zaungästen?
Ich hab' eh keine Angst. Und die Öffentlichkeit mag ich eben. Mich macht es glücklich, wenn man mich grüßt und erkennt, wenn über mich geschrieben wird. Außerdem ist es Werbung. Unbezahlte Werbung wohlgemerkt.

Dafür machen Sie sich zum Kasperl. Ist das nicht ein hoher Preis?
Mein Lebensmotto lautet: Alles, was zählt, ist der Erfolg. Und ich hatte in meinem Leben eine Menge Erfolg Auch der Kasperl zu sein ist eine Form von Erfolg.

Nun will das Finanzamt 380.000 Euro von Ihnen, weil Sie versucht haben, die Opernballspesen abzuschreiben. Jeder weiß doch, dass das nicht geht, auch Ihr Steuerberater.
Das kämpfe ich durch. Ich lasse gerade ein Gutachten erstellen, in dem dargelegt wird, dass mich ein Opernball 150.000 Euro kostet, dass der Werbewert aber 15 Millionen Euro beträgt. 750 Berichte hatten wir allein bei Paris Hilton! Meine Gäste fallen eindeutig unter Werbungskosten für die Lugner City. Glauben Sie vielleicht, der Opernball ist ein Vergnügen? Der macht mich fix und fertig jedes Jahr.

Dieses Jahr wurden Sie in die hinteren Ränge verbannt. Wie ist das passiert?
Ich habe heuer die Loge 3, vor dieser Loge ist überhaupt kein Platz für Journalisten und Kamerateams, eine Katastrophe. Der junge Mann, der früher die Einteilung gemacht hat, ist durch den Wechsel von Gürtler auf Treichl weggegangen und so bin ich nach hinten gerutscht. Das wird eng werden heuer.

Wovon leben Sie, Herr Lugner, wenn Sie im März Ihr Bauunternehmen endgültig zusperren?
Um mich braucht man sich keine Sorgen zu machen. Mir geht's gut. Ich hab' die Höchstpension, das sind etwas über 20.000 Schilling. Ich kann mich nicht an die Euro gewöhnen. Und ich kriege von der Kinogesellschaft 800 Euro pro Monat. Dazu kommen noch andere kleine Einkünfte. Ich sag' immer, wenn man Erfolg hat, kommt das Geld von ganz allein.

Sie haben allen Ernstes frohlockt, dass Ihre neue Freundin "billiger" komme als Mausi.
Ja, weil sie ein Ballkleid um 89 Euro tragen wollte. Da ist auch schon der Pelz Liska eingesprungen und hat ihr ein handbesticktes Designerkleid spendiert. Die Bettina macht jetzt ein Mediencoaching, weil sie halt ein bissl schüchtern ist und auch nicht so schlampig sprechen darf.

Gibt es etwas, Herr Lugner, was Sie nicht tun würden, um in der Öffentlichkeit stehen?
Nacktfotos. Bettszenen. So einen Luxuskörper hab ich nämlich nicht.

Was sehen Sie, wenn Sie morgens in den Spiegelschauen?
Einen, der mit 75 nicht mehr ausschaut wie der Jüngling von einst.

Sondern wie?
Naja, da sind natürlich Falten. sich der Herr Doktor Worseg. Kleiner Tipp an die Damen: Hämorrhoidensalbe unter den Augen hat genau denselben Effekt!

Herr Lugner, sind Sie manchmal einsam?
Ich tu' alles, damit es nicht soweit kommt. Wenn ich am Samstag noch nichts für Sonntag ausgemacht hab', dann bin ich nervös. Weil ich ganz unglücklich werde, wenn ich allein bin. Gott sei Dank hab' ich meine Tochter.

Machen Sie sich nie Gedanken, was Sie Ihrer Tochter antun?
Die will das alles nicht wirklich. Aber was soll ich machen. So ist der Lugner eben.

Der Mensch Lugner oder die Kunstfigur Lugner?
Das ist ein- und dasselbe. Das ist irgendwann ineinander übergegangen.

Herr Lugner, denken Sie manchmal an den Moment, in dem alles zu Ende sein wird? Was dann noch wirklich wichtig ist?
Nein, ich verdränge diese Dinge. Ich lebe in der Gegenwart. Aber wenn ich schon einmal sterben muss, dann soll es im Schlaf sein. Abends einschlafen, nie mehr aufwachen. Unbemerkt.

27.Jänner 2008, erschienen im KURIER