„Man gehört zur Einrichtung und, wenn man Glück hat, zur Familie.”
Günther Jauch

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Volksmusik, Trachten und der Duft von Hortensien. Ist das nicht der Günther Jauch? Manche Besucher des Weinart- Winzerfestes im Forstamt von Steinbach am Attersee trauen ihren Augen kaum, als sie das bekannte Fernsehgesicht in der Menge erblicken. Der deutsche TV- Moderator steht im blauen Anzug, mitten unter Dirndln, Lederhosen und Trachtensakkos, vor einem blau besprayten Fass und schenkt Wein aus - seinen Wein.
2011 hat er das unter Denkmalschutz stehende Weingut Othegraven seines Großonkels an der Saar gekauft. Statt in Brasilien, wo Deutschland am Sonntag um den Sieg bei der Fußball- WM kämpft, ist er deshalb mit seiner Frau Thea in Österreich, kostet edle Tropfen, beißt selig in Weißwürste und Brez'n ("Thea ist Bayerin, deshalb kann ich die so essen, dass sich nicht alle kaputt lachen!") und unterhält sich mit Winzerkollegen aus Österreich, Frankreich, Italien, Spanien - es ist die erste Woche seiner Sommerpause auf ARD und RTL.

Herr Jauch, warum sind Sie nicht in Rio?
Ich dürfte das eigentlich gar nicht sagen, aber ich hätte tatsächlich Karten fürs Maracana gehabt, das stimmt... Aber die Familie Wolf, die hat in Deutschland in Sachen Wein einen Ruf wie Donnerhall, also dachten wir, das schauen wir uns an. Ich kenne Österreich ja nur im Winter, von meinen Reisen zum Skispringen am Kulm, als ich noch Sportmoderator war.

Welchen Tipp geben Sie für das Finale?
Finalspiele sind ja nie besonders torreich. Das letzte Finale gegen Argentinien 1990 war ein 1:0 mit Elfmeter. Für Deutschland- Argentinien tippe ich doch auf ein 3:2.

Wie patriotisch sind Sie? Wären Sie sehr enttäuscht, wenn Argentinien gewinnen sollte?
Seit ich nicht mehr Sportjournalist bin, habe ich die Leichtigkeit des Zuschauers, der sich nicht vorher nochmal über Spielerlisten beugen muss. Ich kann einfach nur Freude haben an einem schönen Spiel. Ich wäre dann enttäuscht, wenn die schwächere Mannschaft gewinnen würde.

Was war für Sie der berührendste Moment dieser WM?
Das war sicher, als Brasilien durch den Verlust von Neymar im wahrsten Sinn des Wortes ins Mark getroffen wurde. Das war viel mehr als ein klassisches Foul. Ich fand auch schön, dass Deutschland nach dem Sieg über Brasilien nicht über die Maßen triumphiert hat, sondern fair geblieben ist und dem Gastgeber die Würde gelassen hat.

Sie sind der beliebteste deutsche TV- Moderator, haben unter Deutschlands "500 Besten" Platz vier nach Richard von Weizsäcker geschafft. Was macht diese Popularität mit Ihnen?
Ich kann nicht behaupten, dass das unangenehm wäre. – Lacht. – Dieses Glück ist ja auch nicht über Nacht gekommen, ich hatte schon ein bisschen Zeit, mich daran zu gewöhnen. Bei meiner Fernseh- Frequenz bin ich den Leuten im Lauf von 20 Jahren einfach vertrauter geworden. Man gehört zur Einrichtung und, wenn man Glück hat, zur Familie. Das kann ich gut nachvollziehen, selbst wenn ich noch nie in deren Wohnzimmer gesessen bin.

Ist es manchmal auch anstrengend, Günther Jauch zu sein?
Ich kann mich über mein Leben nicht beklagen. Ich habe ja auch immer die Möglichkeit, für mich zu sein.

Sie legen auf diese Privatsphäre großen Wert, wollten sogar Berichte über Ihre Hochzeit verhindern. Steht das nicht im Widerspruch zu Ihrem Beruf des Journalisten?
Das sehe ich nicht so. Mein Recht auf ein geschütztes Privatleben ist ohnehin eingeschränkt, aber meine Frau und die Kinder sind in besonderer Weise betroffen. Da ist ein Schutz einfach wichtig.

Sie wurden für Ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet. Ist in Ihrem Haus in Potsdam überhaupt noch Platz für weitere Preise?
Das ist so bei mir: Am Anfang dürfen die in meinem Arbeitszimmer stehen. Dann wandern sie in Kisten, die leider grausam schwer sind, und kommen in Dunkelhaft. Meistens nach einem Jahr. Die fristen dann ein jämmerliches Schicksal irgendwann, im Keller oder in der Garage.

 

Jemand hat einmal ausgerechnet, dass Sie beim Fernsehen 4.489,18 Euro verdienen - pro Minute. Stimmt das?
Das ist Unsinn, denn das Geld verdient ja meine Produktionsfirma, da werden viele Menschen davon bezahlt. Deshalb ist das nur ein schönes Rechenbeispiel, das aber in die Irre führt.

Sie sollen bisher von Ihrem verdienten Geld 75 Millionen Euro gespendet haben. Stimmt das?
Summen bestätige ich grundsätzlich nicht. Aber dass ich gerne spende und in meiner Heimatstadt damit ein paar Dinge angeschoben habe, ist ja hinlänglich bekannt.

Was bedeutet Ihnen Geld?
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass es mir finanziell immer gut gegangen ist. Auf der anderen Seite war das aber nie mein Beweggrund, Sendungen zu machen. Ich habe das große Privileg, genau das machen zu können, was mir Freude bereitet.

Seit 1999 moderieren Sie "Wer wird Millionär?". Glauben Sie, dass diese Sendung die Zuschauer klug macht?
Dümmer läuft man da nicht raus, wenn man eine Stunde zuschaut. Aber es reicht natürlich nicht, seine Kinder vor den Schirm zu setzen und zu glauben, sie bräuchten keine Schulbildung mehr.

Hat Sie die Moderation klüger gemacht?
Ja, doch. Ich habe durch diese Sendung sehr viel gelernt. Aber in 15 Jahren habe ich auch relativ viel davon wieder vergessen.

Wissen Sie, was ein "Jokale" ist?
Nein, nie gehört.

So nennt Ihr Ösi- Pendant Armin Assinger einen kleinen Joker - auf Kärntnerisch...
Ich muss ganz ehrlich zugeben: Ich habe eure "Millionenshow" nie gesehen, weil ich in Berlin keinen ORF empfangen kann.

Sie haben diesen Sonntag Geburtstag. Woher kommt dieser bubenhafte Charme und das Staunen in Ihrem Blick?
Das ist nett, dass Sie das sagen. Ich denke, das kommt vielleicht von der Neugierde, vom Spaß an den Dingen. Damit kann man das Altern vielleicht ein bisschen aufschieben, wenigstens um zwei, drei Jahre.

Schon daran gewöhnt, dass Sie bald 60 sein werden?
Die Zahl droht natürlich... Aber ich habe damit kein Problem.

Wo sehen Sie sich mit 70?
Ja, wo sehe ich mich mit 70? Ich konnte schon mit 50 nicht sagen, wo ich mich mit 60 sehe. Dabei bin ich im Grunde seit 40 Jahren am selben Platz im deutschen Fernsehen.

Ist Ihr Zweitberuf als Winzer schon eine Vorbereitung auf das Leben danach?
Das werde ich ganz oft gefragt. Sagen wir so: Falls das Fernsehen mal weniger werden sollte, habe ich dann auf dem Weingut immer noch genug zu tun. Aber im Moment läuft es ja mit den Sendungen ungehindert weiter.

Was war der Grund, dass Sie "Othegraven" gekauft haben?
Das hat viel mit meinen Kindheitserinnerungen zu tun. Mein Großonkel hat dort, als ich ein kleiner Junge war, exotische Bäume gepflanzt. Er ließ sich aus der ganzen Welt rare Sorten schicken - vom amerikanischen Mammutbaum bis zum chinesischen Perückenhaarbaum. Die sind jetzt 100 Jahre alt und bilden einen prächtigen Park. Außerdem trägt das Weingut den Namen meiner Großmutter, die eine gebürtige von Othegraven war. Mit dem Kauf ist das Weingut in der Familie geblieben. Meine Frau und ich führen es jetzt in siebter Generation.

13. Juli 2014, erschienen in der KRONE