„Mit Francesca und den Kindern zum Mond…”
Karl Habsburg

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Erzieht der Enkel des letzten österreichischen Kaisers seine beiden Töchter zu Prinzessinnen? Und wie bereitet er „Thronfolger“ Ferdinand auf sein historisches Erbe vor? Im Interview entpuppt sich Karl Habsburg (45) als Vater, dem Vorbild wichtiger ist als Etikette, der seinen Kindern habsburgische Bescheidenheit demonstriert: Ihr seid nur ein winziges Rädchen in einer langen Linie von Vorfahren, bestimmt dazu, Traditionen und Werte einmal an die nächste Generation weiterzugeben!

Herr Habsburg, dürfen Ihre Kinder beim Essen mit dem Ketchup kleckern und Pommes ohne Gabel essen?
Natürlich! Aber meine Kinder wissen auch, dass es Tischmanieren gibt, die sie situationsbedingt anwenden können. Etikette ist doch ganz leicht! Das hat etwas mit Disziplin zu tun. Darauf lege ich als Vater auch großen Wert. Disziplin, also ein geregelter Tagesablauf, feste Bettgeh- und Hausaufgabenzeiten, ist mir wichtig.

Sind Sie sich da mit Ihrer Frau einig oder haben Sie unterschiedliche Erziehungsstile?
Francesca hat aus ihrer Persönlichkeit heraus ganz andere Schwerpunkte als ich. Am einfachsten kann ich es anhand der Schulfächer unserer Kinder erklären. Bei mir stehen Geschichte, Geographie und Sprachen an vorderster Stelle. Für Francesca spielt Kunst, Musik, Theater eine wesentlich größere Rolle. Ich seh das als Bereicherung für die Kinder, als Erweiterung ihres Horizontes. Hier wird ihnen auch Toleranz vorgelebt. Motto: Es muss nicht sein, dass das, was ich mache, immer richtig und dass das, was der andere macht, falsch ist.

Gelten beim Papa andere Regeln als bei der Mama?
Es gelten immer die „rules“ desjenigen, der gerade „in charge“ ist. Das wissen die Kinder auch ganz genau.

Spielen Ihre Kinder Sie als Eltern dann gegeneinander aus?

Welche Kinder versuchen das nicht! Das wäre doch unnatürlich. Bis zu einem gewissen Level akzeptiere ich das auch, weil Kinder dadurch lernen, dass es immer einen zweiten Weg und sogar einen dritten gibt im Leben. Darin liegt für mich etwas Spielerisches… Nicht mehr okay ist es meiner Meinung nach erst dann, wenn die Autorität des andern untergraben wird. Letztlich üben Kinder aber dadurch Verhandlungstechnik.

In welche Schule gehen Ihre Kinder?
In eine internationale Schule– die Familie ist letztes Jahr von Salzburg nach Wien übersiedelt. Dort hat der Name Habsburg nicht jene Bedeutung, die er vielleicht an einer öffentlichen österreichischen Schule hätte.

Nämlich?

Der Name Habsburg polarisiert. Das ist eine Tatsache. Je nach Phantasie des Gegenübers werden wir mit dem Adelstitel angesprochen oder mit Verachtung gestraft. Ich seh’s bei leichten Verstößen im Straßenverkehr: Entweder wird galant gewunken oder ich kriege die Höchststrafe. An einer Internationalen Schule werden meine Kinder aufgrund ihres Namens sicher weniger gehänselt.


Ist der Name Habsburg also eher Bürde oder Auszeichnung für ein Kind?
Im Moment weder noch. Und für die Zukunft sind meine Kinder vorbereitet.

Sie meinen, auf das historische Erbe?
Auch. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass beispielsweise meinem Sohn in Zukunft eine spezifische Rolle in der Familie zukommen wird. Dass er mir als Souverän des Goldenen Vlies nachfolgen wird.

Versteht das der neunjährige Ferdinand?

Im Moment noch nicht. Trotzdem kann ich nicht früh genug anfangen, ihn damit zu konfrontieren, weil damit sein Verständnis für einen wichtigen Bestandteil seines künftigen Lebens wächst.

Ihr Sohn ist in Ihrer Biographie fett gedruckt. Sind die männlichen Nachkommen in Ihren Kreisen immer noch mehr wert?
Bestimmt nicht. Ich erziehe meine Töchter nicht anders als meinen Sohn. Auch sie werden mit Aufgaben belegt, aber eben mit anderen. Sie sind alle drei ganz normale Kinder, die aber in eine spezifische Rolle hineinwachsen.

Wann hat Ihnen Ihr Vater diese „spezifische Rolle“ erklärt?
Auch zu einer Zeit, in der ich es vom Inhalt her noch nicht verstanden habe. Aber ich wusste um die Bedeutung des Augenblicks…

War es ein feierlicher Moment?
Überhaupt nicht. Mein Vater ist ein sehr pragmatischer Mensch.

Was ist Otto Habsburg, heute 92, für ein Großvater?

Einer, der ein besonders herzliches und physisches Verhältnis zu seinen Enkelkindern hat. Sein Alter hindert meine Kinder nicht daran, auf ihm rumzukrabbeln und ihn zu umarmen. Sie spielen auch leidenschaftlich gern Tischfußball mit ihm. Er ist ein sehr nahbarer Großvater.

Trotzdem haben Sie Ihren Sohn nicht Otto getauft.
Bei aller Liebe zu meinem Vater, aber ich halte Otto nicht gerade für den schönsten Vornamen… Die Namen haben wir viel zufälliger gewählt als man es glauben würde. Eleonore beruhte auf einem hundertprozentigen Konsens. Darauf haben wir uns geeinigt, als wir als Verlobte in Innsbruck in einer Ausstellung ein wunderschönes Porträt einer unserer Vorfahren gesehen haben, deren Name Eleonore war. Ferdinand war hingegen schon ein bissel mehr ein Kompromiss. Bei Gloria haben wir uns beide nicht unbedingt an die traditionellen Familiennamen gehalten.

Wie hat der Enkel des letzten österreichischen Kaisers seinen Kindern die Seligsprechung von Kaiser Karl erklärt?
Simplifizierend. Ich habe ihnen gesagt, dass Kaiser Karl deswegen selig gesprochen ist, weil er alle seinen politischen Entscheidungen im Grunde unter religiöse Grundsätze gestellt hat. Ich habe auch nicht verschwiegen, dass Kaiser Karl öffentlich in einem sehr skurrilen Licht dargestellt worden ist, vom entschlusslosen Menschen bis hin zum Alkoholiker. Dass hier eben versucht wurde, den Nimbus zu zerstören, was aber durch die Seligsprechung zunichte gemacht wurde.

Halten Sie diese Erklärung für historisch einwandfrei?
Absolut.

Fragen Ihre Töchter Sie manchmal: Papa, sind wir echte Prinzessinnen?
Natürlich, mit dieser Frage bin ich dauernd konfrontiert und jedes Mal hab ich Erklärungsbedarf! Kinder kennen Prinzessinnen ja einerseits aus dem Märchen, andererseits werden sie im täglichen Leben ja tatsächlich manchmal so angesprochen. Da ist es nötig, die Verbindung zu ihrem Urgroßvater herzustellen, der Kaiser von Österreich war und der sie tatsächlich zu Prinzessinnen gemacht hat. Ich stelle das in einen historischen Kontext und kann natürlich auch den Spezialfall Österreich dabei nicht auslassen.

Die Tatsache, dass in Österreich das Führen von Adelstiteln verboten ist.
Ein Paradoxon auf der ganzen Welt, ein Abtrennen eines Stücks österreichischer Identität. Wichtig für meine Kinder ist zu wissen, dass gerade ein Adelstitel zu Bescheidenheit verpflichtet. Ich sage ihnen immer: Ihr seid nur ein kleines Rädchen in einer langen Linie von Vorfahren, bestimmt dazu, Traditionen und Wertvorstellungen einmal an die nächste Generation weiter zu geben.

Sind Ihre Kinder im Herzen Österreicher?
Ich hoffe, dass sie in erster Linie Europäer sind. Dadurch, dass wir viel reisen, viele Sprachen sprechen, wachsen sie in diese Identität hinein.

Wieviele Sprachen?
Francesca spricht mit den Kindern ausschließlich Englisch. Ich spreche Deutsch mit ihnen. Das Kindermädchen spricht spanisch. Das ist nicht so toll wie mein Vater, der unausstehlich viele Sprachen spricht, nämlich ingesamt acht. Aber es ist ein Anfang.

Herr Habsburg, müssen Ihre Kinder auch viele Bücher lesen?

Ich bin ein bekennender Bibliophiler. Deshalb ist es mir wichtig, dass meine Kinder lesen. Aber sie surfen natürlich auch im Worldwide Web, spielen am Computer, schauen fern – sogenannte Multitasker, die in kürzester Zeit verschiedenste Dinge auf die Reihe bringen. Von dieser Welt kann und darf man sie auch gar nicht fernhalten. Allerdings kann es diesen Zugang nicht unbeschränkt geben.

Sie haben Filter eingebaut?
Ich bediene mich der technischen Möglichkeiten, was gewisse Beschränkungen angeht. Das sehe ich als meine Pflicht, dadurch nehme ich Anteil und biete meinen Kindern Schutz. Wobei Kinder ohnehin ein ausgezeichnetes Rechtsempfinden, ein ausgezeichnetes soziales Empfinden und ein gewisses Schamgefühl haben…

Welche Rolle spielt die Religion im Alltag?
Eine wichtige. Wir sprechen vielleicht nicht vor jedem Essen ein Gebet, denn da ist es auch oft hektisch. Aber das Abendgebet sprechen wir immer, und wir gehen auch am Sonntag in die Kirche. Das ist so etwas, bei dem Disziplin eine große Rolle spielt, weil es ohne Disziplin später einmal viel zu leicht wäre zu sagen: Das geht mir auf die Nerven, das mache ich jetzt nicht mehr.

Angst vor der Pubertät?
Ich harre dieser Zeit mit einer gewissen Nervosität. Aber auch in der Gewissheit, dass Kinder, wenn sie dann ausgeflippt sind, wieder in den Familienverband zurückkehren. Zumindest erlebe ich das bei vielen Neffen und Nichten, und das sind immerhin 19 an der Zahl.

Haben Sie Ihre Kinder aufgeklärt?
Das ist eine Sache, die sicher beide Eltern betrifft. Und die natürlich nicht mehr so wie früher mit dem Gschichterl über Blümchen und Bienchen funktioniert. Mir ist es auch hier wichtig, Werthaltungen zu vermitteln. Wenn in der Schule die Kalender-Empfängnisverhütungsmethode auf erschreckende Art und Weise wertneutral gleichgestellt wird mit der „Pille danach“, dann habe ich ein Problem. Dann ist es mir wichtig, ins Aufklärungsgespräch auch den Wert des Lebens einzubringen.

Hand aufs Herz: Dürften Ihre Kinder auch bürgerlich heiraten?
Da halte ich es wie meine Eltern es gehalten haben: Manche meiner Geschwister haben bürgerlich geheiratet, andere adelig. Meine Eltern haben beides unterstützt. Ich nehme es also, wie es kommt. Auch weil ich grundsätzlich nichts verbieten würde, was ich nicht tatsächlich durchsetzen kann…

Wer hat Sie mehr geprägt, Ihre Mutter oder Ihr Vater?
Die Erziehung meines Vaters hat mich sicher nachhaltig geprägt, weil er mir Geschichte und Tradition beigebracht hat. Meine Mutter hat von den Werten her eher die Religion für mich repräsentiert. Ich habe vielleicht versucht, in meiner eigenen Vaterrolle beide Elemente zu vereinen.

In einem Satz: Was ist Karl Habsburg heute für ein Vater?
In einem Satz kann ich das unmöglich erklären. Weil ich vor allem Beispiel sein will. Ein Spruch, den ich einmal irgendwo aufgeschnappt habe, trifft es am ehesten: Was nützt die beste Erziehung? Kinder machen uns doch alles nach…

2006, erschienen im Buch "Große Väter"