„Ich bin sehr tolerant”
Andreas Gabalier

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Teufenbach in der Steiermark. In einem ausgebauten Stadl hinter dem Weltunternehmen seines Managers Klaus Bartelmuss hat Andreas Gablier sein Tonstudio. Er kommt direkt vom Zirbitzkogel. "Ich wohn' da bei meiner Oma", erzählt er, als er aus dem schwarzen VW Touareg steigt (er, Robbie Williams und Helene Fischer sind Markenbotschafter des deutschen Automobilkonzerns). Fröhliches Wiedersehen mit seinem Berliner Tontechniker Mathias Roska: Die zwei busseln sich ab. Während unseres Interviews im ersten Stock schneit es dicke Flocken auf die Dachfenster von "Stall Records".

Herr Gabalier, seit Sie bei den "Amadeus"- Awards den Spruch von den "Manderln, die auf Weiberln stehen" losgelassen haben, werden Sie nicht nur scharf kritisiert, sondern auch beschimpft. Würden Sie's trotzdem wieder sagen?
Sicher, wobei ich das mit einem Augenzwinkern gesagt hab'. Ich glaube nämlich, dass Toleranz ganz wichtig ist. Nur merkt man gerade an dieser Diskussion, wo auf mich losgehackt wird, wo ich als "ewig gestrig" und "hinterwäldlerisch" bezeichnet werde, dass wir weit, weit weg sind von Toleranz. Die Toleranz von den sogenannten Toleranzvertretern endet da, wo irgendwer anderer Meinung ist als sie.

Aber wie haben Sie den Spruch gemeint? Warum sollte es ein "Manderl, das auf Weiberln steht", schwer haben?
Naja. Homosexualität wird in der Öffentlichkeit schon ein bisschen wild ins Licht gestellt, fast verherrlicht. Nehmen wir das "Life Ball"- Plakat: Die dürfen natürlich ein Wesen plakatieren, das Brüste und einen Penis hat. Aber die Hirter- Bier- Werbung, wo man eine Frau im Dirndl mit tiefem Dekolleté sieht, die ist sexistisch. Da stimmen einfach die Relationen nicht mehr.

Sie wissen aber schon, dass es in Wahrheit Schwule schwer haben und nicht Heterosexuelle? In vielen Staaten der Welt steht auf Homosexualität noch immer die Todesstrafe.
Ich hab' auch null Problem mit Schwulen. Dass ich jetzt ein homophobes Arschloch bin, dagegen wehre ich mich. Ich habe mit Schwulen oft eine Gaudi, kenne selber drei: ein Volksmusikpärchen und den Alfons Haider. Den mag ich, mit dem habe ich gescherzt am Opernball. Das ist alles schön und recht. Aber ich will auch meine Meinung sagen dürfen. Und das kann ich Gott sei Dank auch. Wir sind nämlich nicht in Russland, wo hinter der nächsten Hecke ein Schütze wartet.

Er sitzt mir breitbeinig gegenüber. Grüne Jeans mit silbernen Knöpfen, dunkelbraune Schnürstiefel, ein Hoody, dessen Kapuze sich über die Sportjacke aus schwarzem Loden legt. Seine Stimme ist tief und kräftig, seine Augen leuchten blau. Die Haare hat er schön im Elvis- Look. "Da brauch ich viel Fönschaum, und anschließend muss noch Pomade drauf", lacht er. "Da hab' ich mir vor drei Jahren ein Laster angefangen..."

Man hatte ein bisschen den Eindruck, Sie seien neidisch auf Conchita Wurst, die Ihnen beim "Amadeus" die Preise weggeschnappt hat...
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Neid ist überhaupt nicht mein Thema. Ich vergönne es ihm von Herzen.

Ihm? Die Kunstfigur Wurst ist eine Frau...
Nein. Die Frau Wurst ist für mich noch immer ein Mann. Den Erfolg vergönne ich ihm, ihr, wie auch immer. Mir hat auch ihr Auftritt beim Song Contest enorm gut gefallen, und sie hat eine großartige Stimme.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Andreas Gabalier und Conchita Wurst?
Denkt lange nach. – Vielleicht dieser unbedingte Wille, seinen Weg zu gehen, egal was die Leute sagen. Und wir sind beide Steirer. Aber sonst sind wir natürlich zwei Paar Schuhe und das ist auch gut so. Es ist genug Platz für jeden von uns, und ich wünsche mir einfach ein bisschen Toleranz. Für jeden von uns.

Würden Sie sich selbst als tolerant bezeichnen?
Ich bin sehr tolerant. Ich bin so tolerant, dass ich das, was mir persönlich vielleicht nicht gefällt, links liegen lasse. Mir würde es niemals einfallen, im Internet über andere so zu schimpfen, wie derzeit manche über mich herziehen. Ich habe auch vollstes Verständnis, wenn meine Musik, diese ländliche Idylle, meine heile Welt, die ich besinge, nicht jedem gefällt.

Wie tickt dieses "Manderl", das Sie beim "Amadeus"- Award zitiert haben?
Manderl, Weiberl, Bua, Dirnderl... Ich habe einfach ein Riesenproblem damit, dass alles, was einmal war, einfach nur schlechtgeredet wird, nur weil einige wenige den Menschen vorschreiben wollen, wie sie zu denken haben. Das Manderl tickt, wenn Sie so wollen, ganz normal.

Sie schweben auf Ihrem neuen CD- Cover als Superman der Berge über einer Hügellandschaft aus weiblichen Brüsten...
Ja, zum Trotz! Ich glaube, als Künstler darf ich mir diese Ironie herausnehmen.

 

 

 


Werden Sie nächstes Jahr wieder zum "Amadeus" gehen?
Nein. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war schockiert darüber, wie politisch dieses Event geworden ist!

Warum politisch?
Weil da in meinen Augen linksradikale Hetzerei gegen die FPÖ betrieben worden ist. Man kann zu dieser Partei und zu H.C. stehen, wie man will, aber was dort passiert ist, im Namen eines nationalen Musikpreises, das war nicht okay (Anm.: Der Rapper Nazar, der FPÖ- Chef Heinz- Christian Strache einen "Hurensohn" genannt hatte, dankte in seiner Rede dafür, dass man in Österreich seine Meinung über einen Zahntechniker sagen dürfe, und sprach von "kleinen Hurenkindern" in der Politik).

Der FPÖ- Chef wird sich jetzt bei Ihnen bedanken...
Ich möchte nicht, dass das so rüberkommt, als würde ich für H.C. Strache sprechen. Mir geht es auch hier um Toleranz. Dass man mich deswegen gleich wieder braun anmalt, das ist mir klar.

Stört es Sie nicht, dass Strache Ihre Facebook- Einträge toll findet?
Wenn ihm das so wie mehr als einer halben Million Fans gefällt, dann steht es mir nicht zu, darüber zu urteilen. Ich kann mir doch nicht aussuchen, welchen Leuten meine Seite gefällt und welchen nicht!

Stimmt es, dass in den letzten Tagen hier unangemeldet Kamerateams aufgetaucht sind?
Ja, wobei das mediale Spektakel zu einem gewissen Grad dazugehört. – Lacht. – Keine Ahnung, warum alles, was ich sage, dermaßen ausgeschlachtet wird.

Könnte es sein, dass Ihre provokanten Sprüche Teil einer Vermarktungsstrategie sind?
Ganz und gar nicht. Nur weil ich die Bundeshymne ohne Töchter singe, kauft doch keiner eine CD von mir.

Gutes Stichwort: Was sagt eigentlich Ihre Freundin dazu, dass Sie die alte Hymne singen?
Auch sie ist sehr traditionell aufgewachsen. Sie und meine Mutter sagen, sie können das nicht mehr hören. Und hat man das Land gefragt? Nein, man redet einfach alles, was einmal gut war, krampfhaft schlecht. Und da bin ich in einer Position, dass ich ein bisschen Gegenwind machen kann.

Haben Sie sich gefreut, dass auch Marcel Hirscher die Hymne ohne die "großen Töchter" singt?
Ich habe mich nicht freuen müssen, weil ich ihn sehr gut kenne, so wie das ganze Austria- Ski- Team und auch die Fußballnationalmannschaft, die auch unserer Meinung sind.

Ihr "Gegenwind" bläst auch berufstätigen Frauen ins Gesicht - Sie wollen, dass Mütter länger zu Hause bleiben.
Das stammt aus einem zwei Jahre alten Interview in einem deutschen Friseurblattl. Ich finde, Frauen sollen sich aussuchen, ob sie arbeiten oder bei ihren Kindern bleiben. Aber auf die, die sich für Letzteres entscheiden, und vielleicht auch gerne kochen und Wäsche waschen, auf die sollte niemand herabschauen.

Sie wünschen sich ja viele Kinder. Werden Sie dann kochen und Wäsche waschen, vielleicht in Väterkarenz gehen?
Er schenkt mir ein mildes Lächeln. – Steht bei mir nicht zur Diskussion. Weil ich einfach selber sehr viel Geld verdiene. Derzeit denke ich aber noch nicht an die Kinder. Wenn es einmal soweit ist, werde ich in der glücklichen Lage sein, musikalisch nicht zurückzutreten und trotzdem mehr Zeit zu haben für die Familie.

Herr Gabalier, Ihre Lieder sind mittlerweile mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft worden. Wievielfacher Millionär sind Sie schon?
Wer für sieben Tage Arbeit die Woche eine so große Entschädigung bekommt wie ich, wird fast schon als reiches ... ich nehme das Wort jetzt nicht mehr in den Mund ... abgestempelt.

Also zählen Sie sich zu den Kandidaten für eine Reichensteuer?
Ich zähle mich jetzt dazu, jawohl. Wenn man dann auf diesen Reichen herumhackt und fordert, sie müssten verdammt noch mal ihren Beitrag zum System leisten, dann sollten Politiker das vielleicht ein bisschen überdenken. Fleißige Leute mit einer Reichensteuer zu bestrafen, da stellen sich mir ganz wild die Haare auf.

Spenden Sie?
Ja, ich spende Vater Staat enorme Summen an Steuern. Und der verprasst sie dann. Nein, im Ernst: Wir haben natürlich unsere Benefizgeschichten, unsere Charity- Events, da leisten wir unseren Beitrag.

Könnten Sie sich vorstellen, so wie Felix Baumgartner aus Steuergründen in die Schweiz zu übersiedeln?
Dazu bin ich viel zu verwurzelt. Ich hänge unglaublich an Familie und an Freundschaften. Und ich möchte auch nicht eines Tages am Zürichsee sitzen und Nasen bohren...
Aus der Hosentasche ertönt plötzlich "You Can't Always Get What You Want" von den Rolling Stones. "Mein Klingelton", grinst Gabalier und wischt den Anruf weg. In zwölf Stunden wird er mit Freundin Silvia Schneider unterwegs ins Wochenende sein.

Wie werden Sie Ostern verbringen?
Mit meiner Freundin in Venedig. Ich träume davon, über den Markusplatz zu schlendern und ein Eis zu schlecken. Aber wer weiß, vielleicht müssen wir die Eiszapfen von den Fenstern kratzen.

05. April 2015, erschienen in der KRONE