Ich hatte richtiges Lampenfieber
Aurelia Frick

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Die jüngste Außenministerin Europas, Aurelia Frick, spricht über den Finanzplatz und Zwergstaat Liechtenstein und ihr Verhältnis zum Fürst.

Bei der Zehnjahres-Party im Museumsquartier ahnte niemand, dass die strahlende junge Frau, die mit Bundespräsident Heinz Fischer und Kulturministerin Claudia Schmied plauderte,  Dreifachministerin des kleinsten österreichischen Nachbarstaates ist. „Faszinierend, die einladende Atmosphäre dieses Kunstplatzes“, schwärmt Aurelia Frick, am Morgen danach noch immer. „Ich kann gut verstehen, dass das Museumsqartier auch das Wohnzimmer der Wiener genannt wird.“ In dem auch der liechtensteinische Klangkünstler Matthias Frommelt ausstellt.

Die Politikerin – zuständig für Äußeres, Kultur und Justiz – trägt ein zitronengelbes Leinenkostüm, dazu Perl-Ohrringe und Kroko-Pumps. Die langen, blonden Haare hat sie weggebunden, ein Gucchi-Ring hält das Paisley-Halstuch von Jim Thompsons Thai Silk Company zusammen. Das Interview wurde in der liechtensteinischen Botschaft arrangiert, die zwischen Hofburg und Parlament liegt. Frick spricht, lächelnd und in temporeichem, alemannisch gefärbtem Hochdeutsch, wie sie es als 33-jährige Quereinsteigerin vor zwei Jahren geschafft hat, jüngste Außenministerin Europas zu werden.

In Liechtenstein gibt es ja keine Minister. Wie spricht man Sie als Außenministerin korrekt an? 
Frau Regierungsrätin. Nur im Ausland bekomme ich diesen Titel, Frau Minister. Wir haben in Liechtenstein auch keine Ministerien, sondern Ressorts. Fünf Regierungsräte teilen sich 15 Ressorts. Ich bin ganz glücklich, dass ich das Äußere, die Kultur und die Justiz bekommen habe.

Ein Ausdruck alemannischer Sparsamkeit? 
Lacht. – Das ist bei uns eine lange Tradition, harmonierend mit der Größe des Landes. Liechtenstein hat etwas über 35.000 Einwohner, also könnte man sagen, dass auf jedes Regierungsmitglied 7000 Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner kommen. Wir haben einen sehr unmittelbaren Kontakt zur Bevölkerung. Diese volksnahe Politik ist für mich etwas sehr Schönes.

Wenn man Liechtenstein hört, dann denkt man an Datenklau, Geldwäsche, Briefkastenfirmen, Stiftungen. Stört Sie dieses Image?
Also ich hoffe schon, dass Sie an andere Sachen auch noch denken! Liechtenstein ist so viel mehr als ein Finanzplatz. Darf ich Ihnen zwei Beispiele geben? 
 
Bitte sehr.
Jeder fünfte künstliche Zahn weltweit kommt aus Liechtenstein, von einer Firma namens Ivoclar Vivadent. Jede dritte Steuerlenksäule für Autos, speziell VW, kommt von einer Liechtensteiner Firma, welche zum Thyssen-Krupp Konzern gehört. Wenige wissen, dass wir eines der höchst industrialisierten Länder weltweit sind. Andererseits haben wir eine sehr junge, facettenreiche Kulturszene. Trotzdem werden wir immer noch hauptsächlich mit dem Thema Finanz in negativer Weise in Verbindung gebracht. Das ist eigentlich schade. Der Finanzplatz Liechtenstein ist diversifiziert und erbringt qualitativ hochstehende Dienstleistungen mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Wie lange wird es dauern, bis sich das ändert? 
Wenn ich in diese Kugel schauen könnte…Ich glaube aber, dieser Prozess ist im Gange. Das habe ich in Wien wieder gespürt, wo Liechtenstein sich im Museumsquartier kulturell positioniert hat. Auch das Liechtenstein Museum ist Teil dieses Prozesses.

Sind Sie so was wie das neue Gesicht des Fürstentums?
Lacht. – Ich glaube, meine Generation kann sehr glaubwürdig ein modernes Liechtenstein vertreten, weil wir das auch leben.

Wie groß waren die finanziellen Einbußen, nachdem man Steuersündern, die in Liechtenstein ihr Geld parken, Amnestie angeboten hat?
Beziffern kann ich das nicht. Aber es liegt auf der Hand, dass Liechtenstein im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise und nachdem wir uns am 12. März 2009 zu den OECD-Standards verpflichteten Geldabflüsse zu verzeichnen hatte. Liechtenstein ist ein verlässlicher Partner, mit einem guten politischen Umfeld für das Finanzwesen, einem guten Schweizer Franken als Währung, und wird sich nach wie vor gut positionieren können.

Wie die Schweiz hat ja auch Ihr Land der EU die kalte Schulter gezeigt. War das richtig?
Wir sind seit mittlerweile 16 Jahren beim EWR, also ein langjähriger Partner der EU. Für Liechtenstein die perfekte Integrationsvariante, ein Erfolgsmodell. Die Beitrittsdiskussion war sehr intensiv, das Land hat sich relativ mutig gegen einen EU-Beitritt entschieden.

Der regierende Fürst hat in einem „Presse“-Interview auf die Frage, ob Griechenland pleite gehen soll, geantwortet: „Ich wäre hundertprozentig dafür gewesen.“ Sie auch?
Ich wünsche mir starke Länder in der EU. Deshalb glaube ich, dass die Insolvenz eines Mitgliedslandes schwierig zu verkraften wäre.

Also sind Sie nicht seiner Meinung?
Wichtig ist, dass Griechenland wieder Boden unter den Füßen bekommt. Ob das mit den vielen Finanzzuschüssen gelingt, wird man sehen. Es ist schwierig zu sagen, welcher Weg da der richtige ist.

Das überrascht jetzt. Müssen Sie nicht vertreten, was der regierende Fürst sagt?
Nein. Gemäß unserer Verfassung vertritt der Fürst das Land gegen außen, deshalb führe ich als Regierungsrätin für Äußeres natürlich Gespräche mit dem Erbprinzen über strategische Ausrichtung. Aber abgesehen davon fühle ich mich in meinem Tätigkeitsbereich sehr autonom im Rahmen des Regierungsmandates.  

Sie müssen nicht ins Schloss pilgern, bevor Sie sich aufs Weltparkett begeben?
Nein. Der Fürst und ich haben – so wie die gesamte Regierung – einen guten Dialog. Ich schätze diesen Austausch auch sehr. Aber ich bin nicht an seine Meinung gebunden.

Sie haben schon Ban Ki-moon empfangen und Obama getroffen. Wissen die überhaupt, wo Liechtenstein liegt?
Meine Gegenüber sind stets gut gebrieft. – Schmunzelt. – Nein, im Ernst: Das passiert mir höchstens am Zoll, dass ein Beamter meinen Pass in der Hand hält und murmelt: Aus Liechtenstein hatte ich noch niemanden. Zuletzt in Singapur. Zu Ban Ki-moon: Grad in der UNO ist jeder Staat eine Stimme, ungeachtet der Größe. Ein Land wie Liechtenstein hat keinerlei Machtinteresse und kann deshalb einen ganz anderen Mehrwert für die Weltgemeinschaft leisten, wie zum Beispiel unseren Vorschlag zum Sicherheitsrat. Da kann ein Land, das keinen Anspruch auf einen permanenten Sitz hat, viel glaubwürdiger Ideen einbringen.

Sie waren zuletzt Unternehmensberaterin, vorher Rechtsanwältin. Wie wird man mit 33 Jahren jüngste Außenministerin? 
Über das Alter mag ich schon gar nicht mehr sprechen. Wenn man ein Land nach außen vertritt, dann spielt das Alter keine Rolle, da geht es um Aufgabenerfüllung und inhaltliche Kompetenz. In die Politik bin ich gekommen, nachdem ich ein Referat über Frauen in Führungspositionen gehalten habe. Da war auch die schweizerische Bundesrätin Doris Leuthard anwesend und hat mich etwas inspiriert. Kurz darauf hat mich die Fortschrittliche Bürgerpartei, der meine Familie nahesteht, angefragt, ob ich kandidieren möchte.
 
Warum wollten Sie?
Ich hatte damals gerade mein eigenes Büro in Zürich und Liechtenstein aufgebaut, die ersten Kunden akquiriert. Ich glaube, es war ein mutiger Schritt zu sagen: Ich verlasse jetzt mein angestammtes Terrain und gehe als Quereinsteigerin in die Politik. Aber ich habe meine Entscheidung noch keine Sekunde bereut.  

Haben Sie das Büro behalten?
Nein, das gibt es nicht mehr.  

Wie war der Umstieg?
Stellen Sie sich vor, ich war zwei Monate im Amt und musste gleich zu einem EWR-Ministertreffen nach Brüssel. Am Anfang hatte ich richtiges Lampenfieber!

Hätte ein männlicher Kollege das auch gehabt?
Ich glaube, Frauen fühlen sich häufiger noch nicht parat für Führungsaufgaben. Mir hat mein Team sehr geholfen. Ich wurde sehr gut vorbereitet. Trotzdem habe ich die ersten Monate Tag und Nacht Akten gewälzt, versucht, die Sachen zu verstehen, die Materie zu vertiefen. Ich war mir meiner Verantwortung meinem Land gegenüber sehr bewusst.

Wie hoch waren diese Aktenstapel?
Sehr umfangreich, vor allem bei Gesetzesvorlagen und Vorbereitung von außenpolitischen Treffen. . . Mein Büro im Regierungsgebäude war voll davon.

Wir haben in Österreich auch einen sehr jungen Politiker, Sebastian Kurz, Staatssekretär für Integration.
Über ihn habe ich gerade heute Morgen in der Zeitung wieder gelesen!

Ihm wird sein Alter bzw. seine Jugend oft vorgeworfen. Ihnen auch?
Nein. Nur die Medien fragen immer wieder danach.

Während wir hier sitzen, findet in einem anderen Fürstentum gerade die Hochzeit von Prinz Albert und Charlene statt. Was bedeutet Ihnen dieser Tag?
Lächelt. – Ich habe heute leider noch volles Programm, bevor ich nach Zürich zurückfliege. Deshalb kann ich es mir im Fernsehen nicht anschauen. Aber ich werde sicher die Berichte darüber lesen… Ich heirate auch kommende Woche. Am Mittwoch Zivilstandesamt, am Samstag dann die Hochzeitsfeier, ich freue mich sehr darauf.

Ist das leicht unter einen Hut zu bringen, Ihr Job als Dreifachministerin und eine Ehe?
Am Anfang ist mir meine Agenda immer wieder entgleitet, meine Termine waren völlig fremdbestimmt. Langsam habe ich sie zurückerobert und heute liegt sie wieder in meinen Händen. Es ist klar, dass sie voll ist. Aber es macht mir Freude. Mein Privatleben hat sicher nicht allzu viel Platz, aber es hat den Platz, den es braucht und mein Mann unterstützt mich, weil er weiß, dass mir das große Freude macht.

Sie sind auch Pilotin, hat Sie das geprägt?
Ich bin sogar Akrobatik geflogen. Schon als kleines Kind bin ich gerne nach Altenrhein gefahren, um dort die vielen kleinen Sportflugzeuge zu beobachten. Meine Eltern haben diese Faszination verstanden und mir freien Raum gelassen, ihr nachzugehen. Ich habe durch die Fliegerei unglaublich viel gelernt.

Abzuheben?
Im Gegenteil. Rasch zu entscheiden, zum Entscheid zu stehen, mit Geschwindigkeiten und Hochdruck umgehen zu können. Das kann ich mir in wichtigen Momenten meines politischen Lebens zurückholen, und es gibt mir jedes Mal die nötige Kraft.

4. Juli 2011, erschienen im KURIER