Trauriger Höhepunkt einer 25-jährigen Künstlerkarriere: Die Staatsanwaltschaft Wien erhebt nun doch Anklage gegen Rainhard Fendrich. Im Akt mit der Zahl 294 Ur 12/06g‚ wird Fendrich nach Paragraf 28, Absatz 6, des Suchtmittelgesetzes Drogenkonsum vorgeworfen, zum Teil das 25-Fache der Grenzmenge.
Im Interview spricht der Künstler über Angst, Kokain und Einsamkeit.
Koks war für mich immer nur eine Arbeitsdroge, nie eine Partydroge‚sagt Rainhard Fendrich rückblickend.Mein Outing war meine letzte Chance. Ich habe Albträume und schwere Depressionen, aber ich schaffe den Entzug. Und: Ich habe Drogen niemals weitergegeben. Ein Wiener Promischneider behauptet das Gegenteil. Zuletzt verbreitete ein Magazin auch das Gerücht, Fendrich sei pleite, weil seine Finca auf Mallorca um 7,5 Millionen Euro zum Verkauf angeboten wird. Im Gespräch wirkt Fendrich bedrückt. Dennoch spricht er ohne Punkt und Komma. Er hat so viel zusagen. Dass er definitiv nicht pleite ist. Dass er auf das Land, dessen Hohelied er so lange gesungen hat, nicht mehr stolz sein kann. Er hat viel zu verlieren. Seine Integrität, sein künstlerisches Potenzial. Angst? Vor dem Prozess habe ich keine Angst, ich bin es gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe Angst um meine Zukunft.
Herr Fendrich, Sie verkaufen Ihre Villa auf Mallorca. Hat es finanzielle Gründe?
Rainhard Fendrich: Geschichten dazu sind unautorisiert erschienen. Meine Lebensgefährtin und ich werden das betreffende Magazin klagen, weil das kreditschädigend ist. Es gibt Leute, die verspekulieren Milliarden Euro bei der Bawag und von mir heißt es, ich bin pleite. Das kann doch nicht sein. Ich lasse mir so etwas nicht mehr gefallen. Dieses Haus ist für mich immer noch der schönste Platz der Welt, ich habe es mit sehr viel Liebe eingerichtet, aber es hängen viele Erinnerungen daran. Deshalb habe ich mich entschlossen, meinen Wohnort auf der Insel zu verlegen. Aber nicht, weil ich pleite bin. Rainhard Fendrich ist definitiv nicht pleite.
Kann man sich denn von Erinnerungen trennen?
Das ist kein leichter Schritt für mich, aber ich bin ein Internatskind. Mein Lebensmotto sind die Stufen von Hermann Hesse. Wir wollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen. Ich hänge an Möbeln, die sind mobil. Ich war mein Leben lang unterwegs und ich glaube, dass Sesshaftigkeit den Tod jeder Kreativität bedeutet. Als ich dieses Haus vor 15 Jahren gekauft habe, habe ich mir vorgestellt, wie der Garten sein würde. Nun steh‚Äô ich in diesem Garten drinnen, er ist so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ich wüsste nicht, was ich noch verändern sollte ... Ich habe eigentlich vor gehabt, meine Kinder hier groß zu ziehen, das ist nicht gegangen, da meine Exfrau dann doch lieber in Wien sein wollte. Als reines Urlaubsdomizil ist mir das Haus dann doch zu groß. Ich fühle mich auch sehr einsam ...
Ist Ina nicht bei Ihnen?
Die ist zwar hier, aber trotzdem ist man in seiner Seele als Künstler einsam. Ich möchte die Vergangenheit einfach hinter mir lassen.
Wie lautet der Satz über diese Vergangenheit?
Um sie in einem Satz zu beschreiben, dafür war sie zu facettenreich. Wenn es seinerzeit eine Fee gegeben hätte, damals nach meinem ersten Erfolg Strada Del Sole‚ die mir meine momentane Situation, also die Zukunft vorausgesagt hätte, dann hätte ich weiter studiert.
Das klingt sehr bitter.
Ich fühle mich momentan wirklich nicht gut. Ich fühle mich dermaßen in meinen Grundrechten verletzt und ausgebeutet, dass ich keine Lust mehr verspüre, auf eine Bühne zu gehen. Das ist wirklich schade für einen Künstler. Ich fühle mich wie einer, der von allen Seiten angeschossen wird und eigentlich selber nichts mehr dazu beitragen kann, sich in irgendeiner Form zu wehren.
Wogegen wehren, Herr Fendrich?
Gegen das Vorgehen der Justiz. Wenn eine einzige diffamierende Bemerkung genügt, um einen Menschen anzuklagen, dann fühl ich mich wie in der ehemaligen DDR. Es ist wirklich so, dass mein Glaube an den Rechtsstaat Österreich, dessen Loblied ich im Ausland oft und gerne singe, zutiefst erschüttert ist.
Sie spielen auf jenen Promischneider an, der jetzt angegeben hat, Sie hätten ihn des öfteren mit Kokain beliefert.
Das ist einfach absurd! Als Auslandsösterreicher, der seit 2003 auf Mallorca lebt, wäre es leicht zu überprüfen gewesen, wie oft ich in diesem Land war. Die Untersuchungsrichterin hat sich aber nicht die Mühe gemacht zu fragen, wann denn das alles statt gefunden haben soll. Der Akt wurde eins, zwei, drei Mal zugemacht und beim vierten Mal wird plötzlich Anklage erhoben. Derjenige, der in Untersuchungshaft gesessen hat, der observiert wurde, nennen wir ihn Bruno Z., ist plötzlich nicht mehr angeklagt, aber der Rainhard Fendrich, der nicht in Untersuchungshaft gesessen ist, der nicht observiert wurde, schon. Was muss ich dazu noch sagen?
Was möchten Sie sagen?
Dass ich mich verlassen fühle, kraftlos und machtlos. Wenn ich schon das Privileg der Aufmerksamkeit habe, dann möchte ich sagen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Von wem fühlen Sie sich verlassen?
Vom Rechtsstaat Österreich.
Ist es nicht so, dass einfach herausgefunden werden muss, ob Sie tatsächlich nur Konsument waren oder ob Sie Drogen auch weitergegeben haben?
Natürlich muss das heraus gefunden werden. Ich hab ein meinem ganzen Leben nie Drogen weitergegeben, weil ich weiß, dass das strafbar ist. Und weil ich süchtig war. Ein Süchtiger will alles für sich. Wenn jetzt einem Schneider, der behauptet, ich hätte meine Anzüge bei ihm mit Kokain bezahlt, plötzlich soviel Glauben geschenkt wird, dann stinkt doch etwas zum Himmel. Wenn das Ganze vorbei ist, werde ich diesen Menschen privat klagen, wie und wo es nur geht.
Warum haben Sie vor dem Untersuchungsrichter nicht ausgesagt?
Das Entschlagungsrecht ist ein Grundrecht. Ich habe dafür ganz persönliche Gründe.
Haben Sie Angst vor dem Prozess?
Angst ... Vor dem Prozess habe ich keine Angst, ich bin es ja gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe Angst um meine Zukunft. Ich bin betroffen, weil das in Österreich möglich ist. Ich appelliere wirklich an die Justiz, das noch einmal zu überdenken.
Herr Fendrich, Sie haben damals bei Ihrer Einvernahme sehr viele Ihrer ehemaligen Freunde ins Spiel gebracht. War das nicht unfair?
Ich hab diese Namen ja nicht von mir aus genannt. Ich wurde mit den Namen konfrontiert. Und ich hab auf alles Ja gesagt. Ich hätte auch auf Ihren Namen Ja gesagt damals. Ich war so schockiert, ich hatte Paranoia, ich war ja auch noch drogensüchtig. Ich konnte nicht einmal das Protokoll lesen, weil ich ja ohne Brille nichts sehe. Ich hatte Angst. Angst vor dem Gefängnis. Ich wollte nur raus!
Hat man Sie unter Druck gesetzt?
Man hat mich daran erinnert, dass ich in zwei Tagen ein Konzert hätte. Zwei Tage vor dem Wiener Stadthallenkonzert, dem größten Konzert meiner Tournee, festgenommen zu werden, das wäre blöd gewesen. Man hat mir klar gemacht, dass man mich auch einsperren könnte. Ich habe also nicht von selber gerne geplaudert. Auf mich haben 6000 Leute gewartet.
Warum haben Sie damals den 15 Jahre dauernden Drogenkonsumsofort zugegeben?
Es war der Strohhalm des Ertrinkenden zu sagen: Ich bin kokainsüchtig, ich möchte aufhören! Das ist genau so, wie wenn jemand sagt, ich möchte zu rauchen aufhören, ich möchte abnehmen, das sagt er auch der Öffentlichkeit. Das ist wie Weight Watchers. Man kann nicht im Geheimen aufhören. Man braucht die Watchers dazu. Ich habe einfach keine Kraft mehr gehabt.
Bereuen Sie das, was Sie gemacht haben?
Ich muss Ihnen sagen, mein Unrechtsempfinden ist relativ gering. Ich will das wirklich nicht bagatellisieren, aber inden20er-Jahren,während der Prohibition,_wäre dieselbe Geschichte passiert, wenn sie mich beim Kippen eines Klaren erwischt hätten. Ich empfinde es als ein größeres Verbrechen, vor einer Volksschule die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht einzuhalten, als in seinem Arbeitszimmer Kokain zu konsumieren, denn das ist etwas, was nur mir schadet.
Ist das nicht auch eine Sünde?
Ich habe mich ganz einfach zugrunde gerichtet. Wenn Sie bedenken, dass der größte deutschsprachige Popstar, Falco, den Kokain-Konsum nicht nur öffentlich zugegeben hat, sondern auch sein erster großer Welterfolg, Der Schnee, auf dem wir talwärts fahr’n von Kokain herrührte und von Kokain handelte, dann frag ich mich, warum man bei mir so ein Theater macht.
Warum hat das mit dem Koks angefangen?
Erst war nur Neugierde. Dann bin ich daraufgekommen, dass man damit länger arbeiten kann. Das Kokain ist ja für viele eine Partydroge. Für mich war es immer eine Arbeitsdroge.
Wie läuft der Entzug?
Ich bin in den letzten 6 Monaten wirklich durch eine sehr harte psychische Entziehung gegangen, habe zusätzlich noch die Pleitenummer mitmachen müssen und, und, und. Das ist wirklich nicht sehr angenehm, alles ein bissel too much. Ich bin ein sensibler Mensch und das hat mir schon sehr wehgetan. Aber ich bin auf dem Weg der Besserung, es geht mir gut und ich bin weg davon.
Entzugserscheinungen?
Nur Depressionen. Und Albträume. Wenn mir vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, ich würde einmal bei einem Psychiater sein, hätte ich ihn ausgelacht . . .
Können Sie im Moment noch Lieder schreiben?
Ich hab gerade ein Lied geschrieben. Kinder des Krieges. Aber ich habe Angst es zu veröffentlichen, weil es dann wieder heißt, jetzt will er sich wieder beliebt machen. Ich will mich bei niemandem mehr beliebt machen.
Was ist das für ein Lied?
Ich möchte eine Initiative gründen für die UNO-Flüchtlingshilfe, um es zu ermöglichen, dass Kinder aus den Krisengebieten im Libanon ausgeflogen werden. Ich möchte andere Künstler einladen, eine CD zu machen, wo sie vielleicht auf ihre Lizenzen verzichten und wir gemeinsam was bewirken können. Geld sammeln, um diese Kinder auszufliegen. Es ist einwahnsinnig trauriges Lied.
Klingt da vielleicht Ihre eigene Ausweglosigkeit mit?
Ich bin noch auf keine Mine gestiegen. Aber wenn ich es mir so überlege: Ja, es könnte ohne Weiteres sein, dass ich da meine Lebensstimmung reinkomponiert habe.
Wie sieht es aus in Ihrer Seele?
Finster. Wie in einer Geisterbahn, bevor der Spuk losgeht. Ich hasse Geisterbahnen. Die fahren in den Abgrund.
Was möchten Sie Ihrem Publikum noch sagen?
Dass ich niemals etwas getan habe, was einem Menschen Schaden zugefügt hat. Außer mir selber. Dass ich auf dem Weg der Besserung bin und dass es auf mich aufpassen soll. Dabei reicht es mir schon, wenn mein Publikum weiß, dass ich süchtig war. Die Plattform, auf die ich mich begeben habe, die Beobachtung der Öffentlichkeit, jener Menschen, die meine Lieder mögen, die hilft mir schon.
24. September 2006, erschienen im KURIER