Gérard Depardieu über Salzburg, die Schauspielerei, Leidenschaften im Alter und seinen verstorbenen Sohn
Im Salzburger „Hangar 7“ fühlt Gérard Depardieu sich wie zuhause: Hier kocht er, hier werden seine Weine getrunken, hier gibt er 20 Stunden vor der Premiere im Großen Festspielhaus ganz entspannt Interviews im Viertelstundentakt – trinkt dabei Bier, futtert Salzmandeln und raucht blaue Gitanes. Vom Lampenfieber keine Spur.
Monsieur Depardieu, wir müssen uns beeilen. Das Interview ist auf 15 Minuten angesetzt.
Gérard Depardieu: Grinst. – Dann sprechen Sie ein bisschen schneller! Ich bin sowieso ein Schnellredner. Außer in russisch.
Das sprechen Sie in „Iwan der Schreckliche“, mit Riccardo Muti und den Wiener Philharmonikern. Wie haben Sie es gelernt?
Gar nicht. Ich hörte es mir ursprünglich an wie schöne Musik. Dann konzentrierte ich mich auf die Akzentuierung und dann sprach ich die Sätze nach. So habe ich auch englisch gelernt. Ich hörte auf den Sound, dann ahmte ich ihn nach und kam drauf: Die andern verstehen mich, obwohl ich keine Ahnung habe, was ich da rede! Das war lustig.
Sie wirken sehr entspannt, so kurz vor der Premiere. Haben Sie kein Lampenfieber?
Aber überhaupt nicht. Wovor sollte ich fiebern? Mit so wunderbaren Künstlern auf der Bühne zu stehen, – Maestro Riccardo Muti, Olga Borodina, Ildar Abrazakov, den Wiener Symphonikern, und dann noch das wundervolle Salzburger Publikum – da kann mir doch gar nichts passieren. Ich diene diesen großartigen, talentierten Künstlern nur als Sprecher.
Im Hauptberuf sind Sie mehr Winzer als Schauspieler, ist das richtig?
Ja, das ist korrekt. Ich habe auch vier Restaurants in Paris. Ich kenne die Bauern, die die Kühe und Schweine aufziehen, die wir verarbeiten, ich weiß von jedem Gemüse, wie und wo es gewachsen ist. Das ist schön.
Und die Schauspielerei? Stimmt es, dass sie Ihnen egal geworden ist?
Man sollte nicht alles so ernst nehmen, was ich sage. Ich liebe natürlich das Kino. Ich liebe Regisseure, die Talent haben und außergewöhnliche Filme machen.
Aber?
Aber es ist nur ein ganz kleines Stück des Kuchens, der mein Leben ausmacht. Eine Rosine vielleicht. Was mir an der Schauspielerei auf die Nerven geht, sind die irren Akteure. Regisseure, die sich einbilden, dass sie so wahnsinnig genial sind, Schauspieler, die von Angst zerfressen sind.
Von wem sprechen Sie?
Ich sage keine Namen. Aber es ist die Mehrheit, glauben Sie mir. Sie langweilen mich. Ich aber liebe die überraschung.
Winzer Gerard Depardieu trinkt mit Conny Bischofberger seinen "Chateau de Tigné"
Würden Sie „Nein“ sagen, wenn wieder ein Angebot für einen Film kommt?
Ich hab’ über 200 Filme gemacht, wissen Sie. Aber natürlich: Wenn das Drehbuch wirklich gut ist, wenn es mich überrascht, dann wird es wieder einen Depardieu geben. Einen Big Flash!
Ist es so, dass Sie heute wählen können zwischen den Dingen, die Sie wirklich gern machen?
Das klingt jetzt vielleicht überheblich: Aber ich musste nie arbeiten, weil ich Geld gebraucht habe. Es ist ein großer Luxus, das sagen zu können, aber es ist wahr. Ich bin immer meiner Leidenschaft gefolgt, nie dem Geld. Ich hasse Arbeit, ich hasse es, Sozialversicherung zu zahlen. Ich hasse auch Politik.
Der Manager erinnert uns daran, dass jetzt aber bald Schluss ist.
Kämpfen Sie eigentlich noch immer mit den Kilos?
Dafür bin ich zu alt. Mit 63 gewinnt das Fett klar gegen die Muskeln, ich werde einfach immer mehr und mehr... Mir ist es egal. Irgendwann, wenn mein Ende gekommen ist, werde ich wahrscheinlich explodieren. Aber ich muss auch nicht mehr so schön sein, wie ich einmal war – wenn ich es denn war. – Lacht.
Waren Sie’s?
Es ist doch so: Sexy ist man, weil man jung ist. Im Alter kommen andere Leidenschaften zum Tragen. Genuss, Wein, gutes Essen.
Monsieur Depardieu, denken Sie noch oft an Ihren 2009 verstorbenen Sohn?
Ich habe mitansehen müssen, wie er gelitten hat. Für mich ist Guillaume nicht tot. Ich denke jeden Tag an ihn. Ich sehe, höre, spüre, rieche, atme Guillaume. Er lebt in mir weiter.
16. August 2010, erschienen im KURIER