Er hat einen Frühstückstisch mit weißen Stoffservietten, ofenwarmen Semmerln, Beinschinken,
Käse und frisch gepresstem Orangensaft decken lassen.
René Benko trägt keinen Nadelstreif an diesem Morgen, sondern Jeans, Leinensakko und ein weißes Hemd.
"Mein kleines Paradies", lächelt er zufrieden und lässt seinen Blick vom 6. Stock des Europahauses in Innsbruck über die Stadt schweifen –mittendrin Österreichs größte Baugrube, "sein" Kaufhaus Tyrol. Durch die gläserne Dachfassade blitzt das glitzernde Weiß der verschneiten Nordkette. "Es
ehrt mich, dass Sie meinetwegen bis aus Wien gekommen sind", sagt René Benko und legt sein i-Phone neben die Capucchino-Tasse. Die Text-Messages piepen im Minutenabstand. "Alles Gratulationen",
erklärt der Immobilien-Investor nicht ohne Stolz. Gratulationen zur Geldvermehrung, zum großen
Coup, finalisiert in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. 450 Millionen Euro soll Benko für das Immobilienpaket der Bawag-PSK gezahlt haben.
Herr Benko, wie hoch wäre ein Geldscheine-Turm von 450 Millionen Euro?
Ich hab's noch nie ausprobiert. Aber es ist ohne Zweifel ein riesiger Betrag – den ich im Übrigen nicht bestätigen kann.
Also haben Sie's für weniger bekommen?
Nein, nein. Vorne steht schon ein Vierer. – Lacht.
Wie ist es Ihnen gelungen, alteingesessene Unternehmen wie die Immofinanz beim Rennen um das Bawag-Paket auszustechen?
Mein großer Vorteil ist und war es immer, dass ich im Vergleich zu einem großen Konzern, wo Aufsichtsräte einberufen werden und beraten müssen, viel schneller entscheiden kann, weil die Signa Holding ein schlankes, überschaubares Unternehmen ist. Und wir hatten auch einfach das bessere
Angebot.
Woher nimmt ein, wie die Tiroler Sie nennen, "junger Spund" wie Sie, sagen wir, 400Millionen Euro?
Eine gesunde Portion ist Eigenkapital, den Rest haben Banken finanziert. Ich schwöre auf Innenstadtlagen. Was vor ein paar Jahren noch wie ein Wahnsinnspreis ausgesehen hat, ist heute ein Schnäppchen.
Hat bei diesem Coup nicht noch was anderes mitgespielt? Immerhin hat er Sie über die Grenzen von Tirol hinaus bekannt gemacht.
Ganz bestimmt nicht. Prestigedenken hat bei einem Investment nichts verloren, da zählen allein die
Fakten und die Zahlen.
Nun sind Sie über Nacht Besitzer der wohl berühmtesten Penthäuser Österreichs geworden. Werden Flöttl, Elsner und Verzetnitsch dort wohnen bleiben?
Das entscheidet das Gericht. Gibt es der Bawag Recht, dann hätte ich ein Vorkaufsrecht auf diese
Objekte. Gibt es den prominenten oder sagen wir lieber bekannten Bewohnern Recht, dann dürfen
diese in den Wohnungen bleiben.
In Wahrheit müssten Sie Flöttl junior ja dankbar sein. Hätte er nicht das Bawag-Geld in der Karibik versenkt...
Nein, nein! Ich bringe meine Investitionen in diese Objekte nicht mit der Bawag-Causa in Verbindung. Auch andere Banken verkaufen Immobilien, das ist ein Zeichen der Zeit.
Und Sie kaufen sie. Wann hat das angefangen?
Eigentlich schon während der Schulzeit. Ein Bekannter hat damals Dachböden gekauft
und ausgebaut. Damit hat er mich angesteckt. Obwohl ich als Kind eigentlich Zahnarzt werden wollte.
Und deswegen haben Sie heute keine Matura.
Stimmt. Ich hatte so viele Fehlstunden, weil ich dauernd zu Terminen auf meinen Dachböden musste. Die waren mir eindeutig wichtiger als die Schule. Vor sieben Jahren hab ich ein Ärztezentrum in Baden bei Wien gebaut. Zu einem Besichtigungstermin kam Karl Kovarik.
Besitzer der Stroh-Tankstellen.
Genau. Ich scheine ihn beeindruckt zu haben, denn er hat sich mit einem Teil seines Geldes – damals 350 Millionen Schilling–in mein Unternehmen eingekauft. Das gab ihm einen gewaltigen
Schub.
Machen Ihnen so hohe Summen nicht manchmal
Angst?
Nein, denn es ist in Wahrheit dasselbe, ob ich für ein Haus 25 Millionen oder 250
Millionen bezahle. Ich muss in jedem Fall gewissenhaft, intensiv und fehlerlos arbeiten.
Und rechnen. Sind Sie ein großzügiger Rechner oder eher ein Erbsenzähler?
Ich rechne für mein Leben gern. In meinem Kopf rechnet es die ganze Zeit. Nicht erbsenzählerisch,
aber sehr detailverliebt. Der Teufel, glauben Sie mir, steckt im Detail! Deshalb rechne ich alle Angebote, die ich auf den Schreibtisch bekomme, selber nach. Wenn ich das einmal nicht
mehr mache, dann mache ich Fehler.
Was bedeutet Ihnen persönlich Geld?
Geld kommt, wenn man Erfolg hat. Wer Geld anstrebt, wird es vermutlich nicht zu einem großen Vermögen bringen. Ich strebe es nicht an.
Wie viel Geld tragen Sie im Moment bei sich?
So um die 300 Euro, die werden von einer silbernen Geldspange gehalten.
Wenn Sie einem Bettler auf der Straße begegnen, geben Sie dem was?
Das kommt darauf an. Da spielt sich etwas ab im Kopf, das ist so etwas wie eine Eingebung. Dem einen geb' ich etwas, dem anderen wieder nicht. Ich kann nicht sagen, warum. Aber unser Unternehmen, wenn Sie darauf anspielen, engagiert sich für sehr viele soziale Projekte.
Wie wohnt der erfolgreiche Immobilien-Tycoon privat?
Tycoon, Kaiser, ich weiß, die Medien wollen ihre Schlagworte. Ich sehe mich einfach als Investor. Ich wohne in einem Haus auf der Hungerburg, hinter mir die
Berge, vor mir die Stadt. In einem modernen Haus.
Weil wir gerade bei den Schlagworten sind. Ist René Benko Multimilliardär?
Ich investiere zwar Milliarden, aber das heißt noch lange nicht, dass sie mir gehören.
Ich würde meinen, Millionär reicht. Vielleicht Selfmade-Millionär. Darauf bin ich auch
wirklich stolz.
Sie sind geschieden, ist das der Preis für Ihren Erfolg?
Es scheint so. Mit einem Unternehmer, der sieben Tage die Woche arbeitet, ist nicht leicht zusammenleben. Der Tag hat eben nur 24 Stunden. Aber ich habe eine sensationelle Tochter, und
das macht mich sehr glücklich.
Wünschten Sie manchmal, der Tag hätte 36 Stunden?
Ja, das wäre super.
Um mehr zu schlafen?
Nein, mir genügen sechs Stunden Schlaf vollkommen. Ich möchte mehr arbeiten.
Sie müssten doch gar nicht so viel arbeiten, wahrscheinlich könnten Sie von Ihrem Geld den Rest des Lebens auskommen.
Aber das wäre langweilig. Dazu bin ich zu sehr Unternehmer.
Sie haben mit 30 schon mehr erreicht als so mancher in drei ganzen Leben. Wovon träumen Sie?
So wie Gernot Langes-Swarovski einmal ein Familienunternehmen aufgebaut zu
haben, in dem die Mitarbeiter mehr zählen als der geschäftliche Erfolg. Ich hab heute 75 Mitarbeiter in Innsbruck, Wien, Düsseldorf und München. Und ich glaube, sie mögen mich als Chef.
Obwohl Sie noch so jung sind?
Das Alter spielt keine Rolle, wenn der Respekt da ist. Ich habe großen Respekt vor dem, was ich bewegen darf. Und vor den Menschen, mit denen ich Geschäfte mache.
Warum sind Sie immer wie aus dem Ei gepellt?
Weil es im Geschäftsleben gewisse Usancen gibt. Gut gekleidet zu sein gehört für mich zur Höflichkeit. Im T-Shirt kann man eben keine Immobilien kaufen.
Herr Benko, wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken, welches Bild taucht dann vor
Ihren Augen auf?
Ich an der Hand meines Großvaters, beim Rolltreppen fahren im Kaufhaus Tyrol.
In der Spielwarenabteilung Lego-Welten unter Glassturz, und ich hatte dieses Gefühl von der großen, weiten Welt im Bauch.
Die kaufen Sie sich heute mit Ihren Millionen?
Wenn Sie so wollen, kaufe ich mir ein Stück davon. Und das Kaufhaus, in dem ich als kleiner Bub Rolltreppen gefahren bin, gehört heute zu meinem Imperium dazu.
2. Dezember 2007, erschienen im KURIER