„Eiserne Faust im Samthandschuh”
Ban Ki Moon

zurück zur Übersicht

bild_01

Vor dem Hotel „Bristol“ vis-à-vis der Wiener Oper halten Fahrzeuge mit Blaulicht, ein Tross von Diplomaten schlängelt sich durch die Drehtür, allen voran eiligen Schrittes UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. „Ein Wahnsinn, wie schnell die gehen“, schmunzelt Starkoch Reinhard Gerer, der für seine Gäste gerade Dinnerpläne schmiedet, „die glauben, sie sind in Amerika, wo keiner Zeit hat.“ Auch der UN-General hat wenig Zeit. „You have six minutes“, rechnet uns seine Sprecherin Michelle Montas vor, als sie uns in die „Prince of Wales“-Suite geleitet. Dort stehen ungefähr acht Security- Guards, die das Geschehen und KURIER-Fotograf Stephan Boroviczeny im Auge behalten. Dann erscheint Mister Secretary General, schon opernfein gemacht, in der Tür und freut sich über die Zeitung des nächsten Tages. „Nice picture!“ freut er sich über sein Porträt beim Bericht über seine Pressekonferenz und beginnt, von Außenministerin Ursula Plassnik zu schwärmen. Es werden dann doch ein bisschen mehr als „six minutes“ aus dem Interview, in dem der UN-General uns auch seine asiatische Seele erklärt.

Mister Secretary General, es gibt Leute, die behaupten, Sie wären für diesen Job viel zu nett. . .
Vor der Wahl zum UN-Generalsekretär gab es eine Charakterisierung meiner Person: Ich sei ein sanfter Mensch mit wenig ausgeprägtem Willen zur Macht. (denkt nach)

Aber?
Aber diese Beschreibung beruht auf einem großen Missverständnis. Hier wird die asiatische Kultur missverstanden. Unsere Kultur achtet Ehrlichkeit sehr hoch, auch Bescheidenheit und Höflichkeit. Aber diese Bescheidenheit sollte in meinem Fall nicht falsch interpretiert werden.

Was steckt hinter Ihrer Bescheidenheit?
Sicher nicht Mangel an Führung, Mangel an Verbindlichkeit, Mangel an Willen. Meine Stimme mag sanft klingen, aber ich habe innere Stärke. Ich mag auch ein netter Mensch sein. Aber wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, dann tue ich das.

Ein Mitarbeiter beschrieb Sie als „Eiserne Faust im Samthandschuh“.
Oh! Eiserne Faust. Im Samthandschuh. Ja, das gefällt mir. Das passt.

 

Wie viel Macht hat denn ein UN-General? Der Iran macht, was er will, Amerika hat gegen den Irak Krieg geführt, und während wir hier sitzen, gehen Millionen von Kindern auf dieser Welt hungrig schlafen.
Die UNO ist eine mächtige Organisation, sie arbeitet für Frieden und Sicherheit auf dieser Welt, für Entwicklung und Menschenrechte. Natürlich hat sie nicht Macht in dem Sinn, sie hat keine Armee, aber mit all den Ressourcen ihrer Mitgliedsstaaten, mit den Friedenstruppen, mit den budgetären Mitteln, mit all den Organisationen wie UNICEF, UNHCR und so weiter kann sie armen Ländern sehr wohl helfen. Ohne die Vereinten Nationen sähe es auf der Welt noch viel trauriger aus. Deshalb müssen wir die UNO hegen und pflegen. Weil es zu ihr keine Alternative gibt.

Wenn das so ist, warum herrscht noch immer so viel Armut?
Es ist richtig, dass 3,6 Milliarden Menschen auf dieser Welt von weniger als zwei Dollar am Tag leben. 2 Milliarden Menschen müssen sogar mit nur einem Dollar am Tag auskommen. Unser Ziel ist es, diese Zahlen zu halbieren. Unser Kurs ist ein sehr ambitionierter, bis 2015 wollen wir dieses Ziel erreicht haben.

Macht die Realität Sie nicht sehr traurig?
Ich möchte Ihnen etwas erzählen. Letzten Monat, als ich Kenia bereist habe, war ich im größten Slum dieses Landes, in Kibera. Es war so traurig, was ich dort gesehen habe. 850.000 Menschen leben dort, mit viel zu wenig Wasser, unter schrecklichen sanitären Verhältnissen, die Kinder ohne die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Das hat mich demütig gemacht und ich habe mir gedacht: Dafür musst du kämpfen.

Wann dachte sich Ban Ki Moon das zum ersten Mal?
Ich bin in einem sehr armen Land geboren, das bis heute ein geteiltes Land ist. Als ich16 war, hab’ ich bei einem Wettbewerb etwas Unglaubliches gewonnen. Eine USA-Reise, mit der Chance, John F. Kennedy im Weißen Haus zu treffen. Diese Begegnung war ungeheuer inspirierend für mich. Die Frage, die ich mir gestellt habe, war: In welchem Beruf kann ich für die Zukunft meines Landes am meisten tun? Damals beschloss ich, Diplomat zu werden, weil ich so am meisten bewegen kann.

Dass Sie einmal so viel bewegen können, hätten Sie sich das je träumen lassen?
Nein . . . Nun kann ich an sehr große Herausforderungen herangehen.

Was soll man einmal über Ban Ki Moon sagen?
Ich möchte als Generalsekretär in Erinnerung bleiben, der seine ganze Energie, seine ganzes Engagement investiert hat, um die Probleme des afrikanischen Kontinents zu lösen. Als einer, der die UNO verändert, der eine neue Kultur eingebracht hat. Eine Kultur, die diese Staatengemeinschaft am Ende verlässlicher und effizienter gemacht hat.

Sie waren ein Jahr und acht Monate lang Botschafter Ihres Heimatlandes in Wien: Sprechen Sie noch ein bisschen Deutsch?
Wechselt von Englisch ins Deutsche. – Ja, ich spreche ein bisschen Deutsch. Aber jetzt ich habe alles vergessen.

25. Februar 2007, erschienen im KURIER