Geld ist alles
Khalaf Ahmed Al Habtoor

zurück zur Übersicht

Dreißig Minuten nördlich von London, in der Grafschaft Buckinghamshire: Ein automatisches Tor öffnet sich und gibt den Blick auf das prachtvolle Anwesen inmitten eines riesigen Parks mit Tennis- Court und Swimmingpool frei. Vor dem Eingang parken ein bordeauxroter Bentley, drei Mercedes und einige kleinere Fahrzeuge. Khalaf Ahmed Al Habtoor hat einen Schal mit den Landesfarben der Vereinigten Arabischen Emirate umgebunden, als er uns begrüßt. Zum violetten Sakko trägt er ein hellblaues Hemd, ein pinkfarbenes Stecktuch und eine graue Hose. Aus den schwarzen Sneakers blitzen weiße Tennissocken hervor.

Wir sitzen im Salon des Landhauses, der Butler serviert englischen Tee. Jedesmal, bevor der Chairman zu einem Cookie greift, zieht er ein Kleenex aus der mit goldenem Stoff gepolsterten Spenderbox und umwickelt es. Dann erst beißt er ab. Das "Grand Piano" in der Ecke stammt aus der Ära des Schahs von Persien. Mit dabei: Al Habtoors Pressesprecherin Noura Badawi, die für das Interview extra aus Dubai eingeflogen ist.

Mister Al Habtoor, kaufen Sie öfter Hotels ein, wenn Sie unterwegs sind?
– Lacht. – Manchmal, ja. Die Al Habtoor Group besitzt auch Häuser in London, Budapest und natürlich Dubai. Und Wien ist schließlich eine der schönsten Städte auf der ganzen Welt. Ich war vor 30 Jahren das erste Mal dort. Meine Familie war bei Freunden in Graz eingeladen, und auf dem Weg dorthin wohnten wir im Imperial. Wir waren fasziniert von der Architektur des Hauses, den Türen und Räumen, den Stuckdecken, so wunderschön und so hoch. Aber damals hätten wir das Geld nicht gehabt, es zu kaufen.

70 Millionen Euro - war das ein angemessener Preis für das schönste Hotel Wiens?
Die Hotelzimmer sind so groß, dass man damit kein Geld machen kann. Deshalb glaube ich: Ja. Ich habe es auch nicht gekauft, um damit reich zu werden…

Weil Sie das schon sind?
… sondern wegen seiner Geschichte. Es ist wirklich etwas ganz Besonderes, eine Trophäe, ein Schatz. Aber ich kann diesen Schatz nicht mit nach Dubai nehmen. Das Imperial wird ein österreichisches Hotel bleiben und weiterhin den Österreichern gehören, ich finanziere es nur. Und es haben mir Leute aus der ganzen Welt E- Mails geschickt, um mir zu gratulieren und viel Glück zu wünschen. Kein Wunder, bei diesem Haus.

War es die größte Investition zuletzt?
Nein. Wir investieren nicht nur in Hotels, sondern auch in Bürotürme, Einkaufszentren und Vergnügungsparks.

Wann wussten Sie, dass Sie das Hotel Imperial kaufen wollen?
Die Idee hatte ich schon länger. Wir haben unser Interesse schon vor einiger Zeit deponiert. Und als ich im Dezember in Wien war, kam der Moment.

Wie genau hat das Imperial Ihr Herz erobert? War es ein bestimmter Concierge? Das Kalbswienerschnitzel? Oder die Frühstücksmelange?
Das ist ja lustig. – Lacht. – Bei dieser Entscheidung hat einfach alles gestimmt. Der Standort Österreich, immerhin das Land der Musik. Die wunderschöne Architektur. Und natürlich die Menschen, die dort arbeiten. Vom Doorman in der Lobby über den Concierge, die Leute an der Rezeption bis hin zu den Kellern und dem General Manager, sie sind alle großartig. Es gibt nichts, worüber man sich beschweren könnte. Sogar der Wasserdruck in der Dusche ist fantastisch. Das Essen sowieso.

Wie wohnt ein Scheich? Bestimmt nicht im Deluxe- Zweibettzimmer.
Wir wohnten in der Fürstensuite, aber wir waren auch zehn, zwölf Leute. Kollegen, Personal, auch mein Butler reist mit mir. Er wohnt nebenan und kümmert sich um mein Gepäck. Ich bin nämlich unfähig, einen Koffer zu packen. Ich kann ihn nur auspacken, aber einpacken, das schaffe ich nicht.

Bügelt er auch Ihre Zeitung?
Ganz ehrlich, ich lese keine Zeitung, weil ich alle Media- Updates direkt von meinem Büro in Dubai bekomme. Die lese ich dann am iPhone.

 

 

 

 

Von der englischen Königin heißt es, dass sie sogar ihr eigenes Wasser für den Tee ins Imperial mitgebracht haben soll. Haben Sie auch so eine kleine Marotte?
Ich brauche meine Papaya und meine Beeren in der Früh, mein Butler kümmert sich darum, danach immer starken, schwarzen Tee mit etwas Milch. Danach ein Omelette oder Cornflakes, und ein bisschen Honig dazu.

Was wird sich jetzt ändern, unter dem neuen Besitzer Khalaf Ahmad Al Habtoor?
Was das Personal betrifft, wird sich gar nichts ändern, denn das ist exzellent. Diese Leute sind die Repräsentanten, die Botschafter des Hotels. Was das Gebäude betrifft, so werden wir es renovieren, aber das betrifft eher die Zimmer: Tapeten, Wände, Betten, Matratzen. Ein Juwel kann man schließlich nicht schöner machen.

Wird Ihnen das Personal in Zukunft anders gegenübertreten?
Ich glaube nicht, denn das ist ja gerade die Qualität des Personals im Imperial: Sie behandeln alle Gäste wie Könige. Sie begegnen jedem Besucher mit dem gleichen Respekt. Und das ist mir am allerwichtigsten.

Indiskrete Frage: Wohnen Sie jetzt umsonst, oder bezahlen Sie?
Das Zimmer steht mir frei, aber ich bezahle 50 Prozent vom Essen. Und ich gebe Trinkgeld. Aber das ist ein sensibles Thema.

Sie gelten als drittreichster Mann der Arabischen Emirate, wo es bekanntlich viele Milliardäre gibt. Was bedeutet Ihnen Geld?
Wollen Sie die Wahrheit wissen? Geld ist alles, wenn du damit deine Familie unterstützt, deine Nachbarn, Bedürftige, wenn du Tausende Arbeitsplätze schaffst, dann ist es großartig. Wenn du es aber in Glücksspiel, Drogen und Terrorismus investiert und böse Menschen finanzierst, dann ist Geld eine üble Sache.

Wie haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Ich wollte als Kind nie mit den anderen spielen, ich war immer mit meinem Vater und meinem Bruder unterwegs. Mit 14 hab ich mich als Übersetzer bei einer Erdölfirma beworben, obwohl ich nicht mehr als drei Wörter Englisch konnte. – Lacht. – Sie nahmen mich und bezahlten mir 250 Rupees im Monat, das wären heute vielleicht fünf Dollar. Englisch hab ich dann schnell gelernt. Die Schule brach ich im siebten Schuljahr ab. Mit 18 beschloss ich, selbstständig zu werden.

Was hat Ihr Vater Ihnen mitgegeben?
Mein Vater liebte Kamele. Schon mit fünf nahm er mich mit auf Kameljagd in die Wüste, und ich erinnere mich, dass wir in den eisig kalten Nächten eng aneinandergeschmiegt geschlafen haben. Um vier Uhr früh weckte er mich auf, um mit ihm zu beten. Dann ritten wir Kamele. Er brachte mir bei, wie man reitet, wie man jagt, wie man schwimmt, und er brachte mir Respekt bei vor anderen und vor mir selber. Das war das Startkapital, das mein Vater mir mit auf den Weg gegeben hat, nicht Geld.

Europa droht an der Flüchtlingskrise zu scheitern. Warum tun die arabischen Länder nicht mehr für die Menschen, die aus Syrien flüchten?
Mehr als 320.000 Männer und Frauen und Kinder sind in Syrien abgeschlachtet worden und niemand auf der Welt hilft! Ich habe viele politische Kommentare dazu geschrieben. Den Europäern kann man nicht die Schuld geben, es ist nicht ihre Verantwortung. Es ist die arabische und muslimische Verantwortung, diese Menschen zu beschützen und in ihrem Land zu halten, die Mörder zu bestrafen: Genau gesagt Bashar al- Assad und seine iranischen Unterstützer.

Aber?
Zwischen meinem Land und Syrien liegen Israel und Irak, diese Grenzen kann man schwer überwinden. Die Arabischen Emirate haben außerdem schon 600.000 Flüchtlinge aufgenommen, wir sind geographisch leider sehr eingeschränkt und haben nicht mehr Platz.

Und Saudi- Arabien?
Unterstützt bereits mehr als eine Million Flüchtlinge. Einige arabische Länder hingegen haben gar nicht geholfen. Die sprechen dauernd von Menschenrechten, aber an den Grenzen erfrieren Kinder in der eisigen Kälte. Wo sind die Menschenrechte?

Apropos Menschenrechte: In Dubai gibt es die Todesstrafe, das widerspricht auch den Menschenrechten.
– Wirft mir einen strengen Blick zu. Was machen Sie mit einem, der Ihre Kinder umbringt? Ihn durchfüttern?

Bei uns bekommt er eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Nur? Nachdem er Ihre Kinder getötet hat? Ich sage Ihnen, was wir mit so jemandem machen. Wir bringen ihn um, nach einem öffentlichen, fairen Gerichtsverfahren, wir füttern ihn nicht jahrelang durch. Auch Bashar al- Assad und seine Leute gehören vor ein Gericht. Dann könnten all die Flüchtlinge, die nach Europa gekommen sind, wieder nach Syrien. Die wollen gar nicht im Imperial in Wien oder im Dorchester in London wohnen, die wollen zurück in ihre Heimat.

26. Februar 2016, erschienen in der KRONE